Powerseller „topseconds“ bei eBay:
ein Millionenbetrug?

Geändert am 16.02.2008
Am 04.12.2008 wurde der »Powerseller topseconds«, der seit einigen Jahren Modeuhren bei eBay verkaufte, plötzlich gesperrt. Da der Händler seine eigene Lieferzeit im Kleingedruckten mit langen 10 - 12 Werktagen angibt, ist davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt der Sperrung etwa 15.000 - 20.000 Uhren noch nicht ausgeliefert wurden.

Dieser ungewöhnlich hohe Lieferrückstand ergibt sich aus der drastisch erhöhten Einstellmenge in den beiden Wochen vor der Sperrung. Entsprechend hoch ist auch die Resonanz auf eine Diskussion im Sicherheitsforum von eBay Deutschland. Diese Diskussion hatte in den ersten 3 Tagen nach der Sperrung eine von »falle-internet.de« noch niemals zuvor beobachtete, hohe Zugriffszahl von 90.000 Zugriffen. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft Bonn wegen Betrugsverdacht.

  Die Diskussion zum Händler „topseconds“ im Sicherheitsforum von eBay Deutschland.

Die Fakten:
Die »Topseconds GmbH«, die zwischen Juli und Anfang November 2008 im Durchschnitt etwa 100 Uhren von Modelables wie zum Beispiel Dolce & Gabbana oder Armani bei eBay verkaufte, erreichte immerhin ein Bewertungsprofil von gut 43.000 Bewertungspunkten. Bis zum 04.12.2008 machte das Bewertungsprofil noch einen recht guten Eindruck. Die GmbH wird im Handelsregister Bonn geführt. Eine typische Scheinfirma ist das sicher nicht.
Seit dem 21. November 2008 stellte der Händler dann plötzlich täglich über 1.700 neue Uhren-Auktionen ein, die auch alle einen Käufer fanden. Allein in den letzten 14 Tagen vor der Sperrung wurden 25.031 Uhren für 1,228 Millionen Euro* über eBay per Vorkasse verkauft. Dazu kamen noch rund 175.000 Euro Versandkosten. Der Bewertungsrücklauf - ein Indikator für die Menge der ausgelieferten Artikel - erreichte in diesem Zeitraum nicht einmal 1.000 Punkte. Das entspricht erfahrungsgemäß etwa 1.800 gelieferten Artikeln.

  Bei eBay waren zeitweise über 25.000 Angebote von „topseconds“ gleichzeitig
zu finden. Hier ein Bildschirmfoto aus dem Google-Cache (mit der Angabe von über
8.000 Angeboten gleichzeitig).

Die Uhren wurden in Angeboten gegen Höchstgebot ab einem Euro Startpreis eingestellt. Bei diesem Format bestimmen Angebot und Nachfrage den Preis. Die mehr als fünfzehnfache (!) Einstellmenge drückte massiv auf die Stückpreise. Kaufmännisch hat eine solche Überschwemmung des Marktes kaum Sinn, weil man sich so die eigenen Preise kaputt macht. Der durchschnittliche Erlös je Uhr (incl. Versand) sank von 69 Euro (Anfang November) auf 48 Euro in den ersten Dezembertagen. Uhren, die üblicherweise für 150 bis 200 Euro gehandelt werden, gab es bereits für 50 Euro. Die Preise waren so günstig, dass viele Käufer gleich mehrere Uhren gekauft haben und auch Wiederverkäufer zugriffen. Wegen der Preisgestaltung wurde in den Foren auch die Frage nach der Echtheit der Ware aufgeworfen.
Die im elektronischen Bundesanzeiger einsehbare Unternehmensbilanz der »Topseconds GmbH« wies im Jahr 2007 Verluste aus. Die Firma hatte über eine Million Euro Verbindlichkeiten und kein nennenswertes Eigenkapital. Zudem hatte sich der Geschäftsführer / Gesellschafter ein größeres Darlehen aus der Firmenkasse genehmigt.
Anfang November 2008 gab es auch einen Wechsel in der Geschäftsführung der »Topseconds GmbH«. In den Angeboten bei eBay wurde aber bis in den Dezember noch der Name des alten Geschäftsführers Kurdo Homam-Ghazi - eines Bonner Studenten - angezeigt. Der neue Geschäftsführer scheint Verwandtschaft zu sein.
Mit dem nicht gesperrten Zweitaccount »gesehen-geboten-gewonnen« hat »topseconds« eine Stellungnahme im Sicherheitsforum von eBay Deutschland abgegeben. Der Geschäftsführer schildert die Hintergründe der Sperrung aus seiner Sicht. Zur Sperrung bei eBay wäre es gekommen, weil man einer Frist von eBay nicht nachgekommen sei, Rechnungen als Echtheitsbeleg für die Uhren vorzulegen. Konkrete Aussagen über die Auslieferungen der bezahlten Uhren machte »topseconds« nicht.
Update 18.12.2008:
Der von der »Topseconds GmbH« angekündigte Liefertermin am 15.12.2008 ist verstrichen, ohne dass auch nur eine einzige der ca. 25.000 Uhren durch den Paketdienstes GLS ausgeliefert wurde. Die über 5.000 Käufer, deren Uhren nicht geliefert wurden, werden seit dem 08.12.2008 von der Polizei Bonn in einer weiteren Presse-Meldung aufgefordert, Anzeige zu erstatten. Die Polizei hatte sich am 15.12.2008 selbst beim GLS-Depot in Bornheim vor Ort ein Bild der Lage gemacht.
Am 17.12.2008 wurde beim Amtsgericht Bonn (Aktenzeichen: 98 IN 275/08) ein Insolvenz- eröffnungsverfahren über das Vermögen der »Topseconds GmbH« eingeleitet.
Dieser Schritt lässt befürchten, dass zumindest ein großer Teil der Vorkasse-Einnahmen von rund 1,2 Millionen Euro (plus rund 175.000 Euro Versandkosten, insgesamt also rund 1,4 Millionen Euro) bei der »Topseconds GmbH« nicht mehr vorhanden ist.
Laut Berichten von Betroffenen und einem Artikel des „Kölner Express“ gab es bei der »Topseconds GmbH« zwischenzeitlich Hausdurchsuchungen, bei denen Computer und Akten der »Topseconds GmbH« beschlagnahmt wurden. Tausende von Käufern, die ihre gekauften Uhren nicht erhalten haben, bangen nun um ihr Geld. Der von eBay beworbene PayPal-Käuferschutz wird in diesem Fall nicht greifen, da »topseconds« kein PayPal anbot. Den Standard-Käuferschutz, der in diesem konkreten Fall zum Tragen gekommen wäre, hat eBay abgeschafft.
Update 16.02.2009:
Die Bonner Polizei teilt in einer Pressemeldung mit, dass sie am Dienstag, dem 17.02.2009 in enger Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft rund 11.000 Geschädigte per E-Mail anschreiben wird. Dazu wurde von der Polizei ein eigenes Online-Portal eingerichtet. Ziel der Aktion ist es, die wirkliche Schadenshöhe zu ermitteln, die derzeit noch unklar ist, da bisher nur ca. 2.000 Geschädigte Anzeige erstattet haben.
Fazit:
Eine drastische Erhöhung der Angebote mit Vorkasseverlangen ohne Rückmeldung erhaltener Ware durch die Käufer ist ein Warnzeichen, das eBay zum Eingreifen veranlassen sollte. Zu oft wurde zu spät reagiert, wie große Schadensfälle in der Vergangenheit gezeigt haben. Beim Verkäufer „topseconds“ wurde die Angabe einer fast 14-tägigen Versandzeit toleriert, die erfahrungsgemäß darauf hinweist, dass erst mit den Kundengeldern die Ware beschafft wird. Treten dann Probleme mit dem Lieferanten auf, ist das Geld auch bei einem Rückzahlungsverlangen des Käufers nicht mehr verfügbar.
Bei Liquiditätsproblemen liegt für einen Verkäufer die Versuchung nahe, mit Vorkassegeldern aufzustocken, wobei die Käufer zu unfreiwilligen Darlehensgebern werden. Der Engpass wird bereits drohender, wenn die erzielten Preise nicht mehr zur Deckung der Kosten ausreichen. Trotzdem finden sich gerade dann umso mehr Käufer, die auf ein Schnäppchen hoffen. Sie erkennen nicht das Risiko langer Lieferzeiten bei Vorkasse, wodurch in diesem Fall für 25.000 Uhren die Frist noch läuft, bevor überhaupt die erste Nichtlieferung konstatiert werden kann. In so einer Situation muss eBay das Alarmsignal erkennen und früher die Notbremse ziehen.

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