Computerhändler schädigt über 6.000 Käufer
bei eBay !

Geändert am 09.12.2007
Am 2. Adventswochenende gab es eine unschöne Bescherung für über 6000 eBay-Mitglieder. Ihre im voraus bezahlten Digitalkameras, Playstations, Monitore und Computerzubehör wurden nicht geliefert. Alle hatten in den letzten Wochen bei der Firma Pawlak-Computerhandel aus Dreieich (Hessen) Ware bestellt. Unter der angegebenen Geschäftsadresse ist niemand mehr erreichbar. Der Firmensitz entpuppte sich als kurzfristig angemieteter Lagerraum in einem Hinterhof:

  Quelle: http://home.teleos-web.de/acakir/pawlak1.jpg. Verlinkt in der Diskussion zu pc-hardware1 im Sicherheitsforum von eBay Deutschland in Posting #270.

Die Kripo Offenbach ermittelt in dem Fall. Die verlassenen Geschäftsräume wurden am Freitag auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Darmstadt durchsucht. Über eBay hat sich das Polizeipräsidium Südosthessen inzwischen auch per E-Mail an die Käufer gewandt. Den Geschädigten wird empfohlen, Strafanzeige zu erstatten.
Der Computerhändler hatte Ende August 2007 bei eBay einen Shop mit dem Namen »pc-hardware1« eröffnet. Bis Mitte November wurden etwa 1.500 Artikel verkauft und zügig ausgeliefert. Dafür konnte der Verkäufer viele positive Kundenbewertungen einsammeln. Zudem hatte der Händler mit Hilfe des Postident-Verfahren den vertrauenserweckenden Status eines „geprüften“ eBay-Mitglieds erlangt.
Ab dem 22. November vervielfachte »pc-hardware1« seine Verkaufsmengen. Während in den ersten drei November-Wochen Ware für ca. 100.000 Euro verkauft wurde, schnellte der Umsatz zwischen dem 22.11.07 und dem 05.12.07 auf fast 800.000 Euro hoch. Täglich wurden rund 600 Artikel gegen Vorkasse abgesetzt, aber nicht mehr geliefert. Die risikoreiche Steigerung der Verkaufsmenge blieb dem einzelnen Kunden verborgen. Mit Blick auf das gute Bewertungsprofil schöpften die Käufer keinen Verdacht.

Wegen ausbleibender Lieferungen häuften sich am 5. Dezember die Käuferbeschwerden:


  

Im Sicherheitsforum von eBay Deutschland begannen besorgte Käufer eine Diskussion über den Händler. Nach Auswertung der Verkaufslisten wurde offensichtlich, daß es sich hier um einen groß angelegten Betrug handeln könnte. Kurz darauf reagierte auch eBay und schloß »pc-hardware1« vom Handel aus. Die Diskussion in dem Forum wurde weiter geführt. Nach 3 Tagen gab es bereits 770 Beiträge und fast 55.000 Seitenaufrufe:

  

Betrugsfälle mit sogenannten „Kurzzeit-Firmen“ hat es bei eBay schon öfter gegeben. Der konkrete Fall hebt sich aber wegen seines Schadensausmaßes und der sehr hohen Anzahl betroffener Kunden deutlich ab. falle-internet.de liegen die Verkaufslisten ab Anfang November vor.
Der Umsatz der letzten 31 Tage vor der Shop-Schließung lag einschließlich der Versandkosten bei 922.000 Euro. Es wurden insgesamt 10.994 Artikel verkauft. Die rund tausend in diesem Zeitraum eingegangenen Kundenbewertungen für »pc-hardware1« lassen darauf schließen, dass maximal 1.500 der Artikel geliefert wurden. Für eine seriöse Schätzung der Geschädigten-Anzahl muss man einen gewissen Anteil Käufer in Abzug bringen, die vor Bekanntwerden der Shop-Sperrung noch nicht bezahlt hatten. Hier kann man erfahrungsgemäß 20% ansetzen. Zusätzlich gab es auch Kunden, die mehrere Artikel erworben hatten. Unter dem Strich verbleiben zwischen 6.000 und 7.000 betroffene Käufer. Deren Einzelschäden betragen meist zwischen 50 und 200 Euro. Mehrere 100 Käufer hatten für hochwertige Elektronikgeräte aber auch deutlich mehr überwiesen. Der Gesamtschaden wird vermutlich bei über 600.000 Euro liegen.
Mit dem Online-Shop digitronic-shop24.de versuchte Pawlak-Computerhandel über Preisfinderseiten weitere Kunden anzulocken. Da der Online-Shop aber nicht vollständig installiert wurde, ist hier von keinem so großen Schaden auszugehen:

  

Bei dem Namensgeber und offiziellen Geschäftsinhaber des Computerhandels könnte es sich um einen Strohmann handeln. Das ist bei der hier anzunehmenden Betrugsmasche die Regel. Nachweislich wurden Konten bei mehreren Banken eröffnet. Auch das ist eine Strategie, um weniger aufzufallen und besseren Zugriff auf die eingenommenen Gelder zu haben. Die Lagerräume in Dreieich wurden im August angemietet. Laut Aussage von Nachbarn benutzten die mutmaßlichen Täter Pkw mit Münchener Kennzeichen. Dabei wird es sich vermutlich um Mietwagen gehandelt haben.
Man kann davon ausgehen, daß der „Händler“ die Sicherheitsvorkehrungen von eBay kannte und genau wußte, wie diese unterlaufen werden konnten. Nach 2 Monaten reibungsloser Verkaufsabwicklung hatten die eBay-Kundenbetreuer keine größeren Bedenken mehr, als die Warenverkäufe rapide anstiegen. Immerhin winkten eBay für die Verkäufe des letzten Monats Provisionen in Höhe von rund 45.000 Euro. Damit war »pc-hardware1« zu einem der größten Gebührenzahler bei eBay-Deutschland aufgestiegen.
Für Käufer war es relativ schwer den Betrug zu erkennen. Das gute Bewertungsprofil suggerierte zufriedenstellende Lieferungen und kurze Lieferzeiten. Die geforderten Preise waren zwar günstig, lagen aber nicht so niedrig, dass sich dadurch ein Verdacht aufdrängen musste. Pawlak-Computerhandel kam entgegen, dass in den umsatzstärksten Wochen des Jahres verkauft wurde. Anders als die Käufer kann die Angebotskontrolle von eBay allerdings sehr genau das Einstellverhalten der Händler beobachten und auffällige Veränderungen ausfiltern und bewerten.
falle-internet.de meint:
Immer wieder erweist sich eine plötzlich drastisch erhöhte Einstellmenge in Shops bei eBay als sehr hohes Risikopotenzial. Obwohl erst seit weniger als 4 Monaten bei eBay angemeldet, stieg »pc-hardware1« in dieser Zeit bis in die oberste Spitze der umsatzstärksten Verkäufer bei eBay auf. In vergleichbaren Fällen hat falle-internet.de wiederholt auf solche Warnsignale hingewiesen, die selbst mit gebräuchlichen Analyse-Programmen wahrnehmbar sind. Umso mehr verlässt sich der Käufer darauf, dass eBay im eigenen Hause zu spezieller Marktbeobachtung in der Lage ist und bei Warnsignalen zu entsprechenden Maßnahmen veranlasst wird. Eine zusätzliche Überprüfung des Verkäufers und Beschränkung der Einstellmenge hätte den eingetretenen Schaden deutlich mindern können, bis zur Sperrung des Shops wurden durch eBay jedoch keinerlei konkrete sichtbare Maßnahmen ergriffen. Die Folge ist, dass »pc-hardware1« eine so große Zahl von Geschädigten hinterlässt, wie es falle-internet.de bei keinem einzigen Betrugsfall bei eBay bisher je beobachten konnte.

Stefan Groß-Selbeck, Geschäftsführer von eBay Deutschland, erklärte anlässlich der Gipfel-Arbeitsgruppe zur IT-Sicherheit, „wer mit der gebotenen Vorsicht surfe und seinen "gesunden Internetverstand" einschalte, könne im Netz ohne Angst agieren“. Die praktische Konsequenz daraus beschreibt die Offenbach Post Online so: „Die Polizei warnt deshalb ausdrücklich vor Internetkäufen auf Vorauskasse.“

Quellen:

http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/31/0,3672,7132159,00.html http://www.op-online.de/regionalnews/Dreieich/77_1736_3235.htm

Update 23.01.2008:
Laut einer Meldung der Offenbacher Post wurde der mutmaßliche Betrüger in Polen festgenommen. Die Staatsanwaltschaft Darmstadt hat seine Auslieferung beantragt.

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