eBay schafft den Standard-Käuferschutz ab

Geändert am 15.02.2008
»Wir glauben grundsätzlich an das Gute im Menschen« - so lautet der erste Grundsatz der oft zitierten „eBay-Gemeinschaft“. Für den Fall, dass dieser Glaube von Betrügern ausgenutzt wird, hatte eBay mit dem Käuferschutz-Programm vorgesorgt. Betrogenen Käufern wurde ein Teil ihres Schadens ersetzt. Das schaffte Vertrauen bei den Nutzern und trug wesentlich zum langjährigen Erfolg von eBay bei.
Der eBay-Standard-Käuferschutz wird zum 20. Februar 2008 abgeschafft.
In einer Mitteilung vom 11. Februar informierte eBay-Geschäftsführer Stefan Groß-Selbeck über die jüngsten Neuerungen auf der deutschen eBay-Plattform. Unter dem Motto »eBay neu erleben« finden derzeit weitreichende Veränderungen in vielen Bereichen statt. Die wichtigste Nachricht für eBay-Käufer wird nur am Rande erwähnt: In Zukunft wird es nur noch eine Absicherung für Artikel geben, die mit dem hauseigenen Zahlungssystem PayPal bezahlt werden. »Wir werden den Käuferschutz auf eBay ab dem 20. Februar an die sichere Bezahlmethode PayPal koppeln und die Deckungssumme der in Deutschland, Österreich gekauften Artikel von bisher 500 Euro im Schadensfall auf 1.000 Euro verdoppeln.«
80 Prozent der Transaktionen betroffen?
Derzeit bieten rund die Hälfte der gewerblichen und 17% der privaten Anbieter ihren Kunden die Zahlung mit PayPal an. eBay ist traditionell sehr verbunden mit seinen privaten Verkäufern, bilden sie doch das Rückgrat des Marktplatzes und »setzten im Gesamtjahr 2006 [...] ein Handelsvolumen in Höhe von 4 Milliarden Euro um.« Für den überwiegenden Teil dieser Privatverkäufe fällt jedoch ab dem 20. Februar jeglicher Käuferschutz weg.

Für diese Langzeitstudie wurden am 15. jedes Monats durchschnittlich 7 Millionen eBay-Angebote untersucht.

Die aktuelle Gesamtquote aller Angebote, die die Zahlungsoption PayPal beinhalten, läßt sich feststellen, in dem man die beendeten Angebote der letzten 2 Wochen bei eBay abruft. Im Moment liegt sie bei 38%.

Die erweiterte eBay-Suche gibt Auskunft über die gehandelten Artikel der letzten zwei Wochen, die mit PayPal bezahlt werden konnten.

Nicht alle betroffenen Artikel werden auch tatsächlich mit PayPal bezahlt. Mehrere befragte Händler beziffern ihren „PayPal-Anteil“ auf 30-50%. Selbst bei einer optimistischen Schätzung wird klar, dass bei dem derzeitigen Kauf- und Bezahlverhalten der eBay-Nutzer rund 80% aller eBay-Transaktionen vom Wegfall des Käuferschutzes betroffen sein könnten. Das deckt sich mit den Kundenzahlen der beiden Unternehmen: 24 Millionen eBay-Nutzern stehen in Deutschland 5 Millionen PayPal-Accounts gegenüber (Quelle: eigene Angaben von eBay bzw. PayPal). Die große Mehrheit der eBay-Mitglieder nutzt PayPal nicht.
Die angekündigte Erhöhung der Erstattungssumme beim PayPal-Käuferschutz betrifft hingegen nur knapp ein Prozent der gehandelten Waren, die tatsächlich einen Preis von mehr als 500 Euro erreichen. Die neuen Regelungen sind also keine »Maßnahmen zur erhöhten Sicherheit auf [dem] Marktplatz«, wie es im offiziellen Statement heißt. Vielmehr wird über das Sicherheitsbedürfnis der Käufer der Druck auf Verkäufer erhöht, PayPal als Bezahlmethode anzubieten.
Einsparungen in Millionenhöhe und PayPal-Zwang?
Die Abschaffung des Standard-Käuferschutzes auf der deutschen und österreichischen eBay-Plattform folgt dem internationalen Beispiel. Auf den meisten europäischen Marktplätzen hatte eBay diese Maßnahme bereits Mitte 2007 umgesetzt, in den USA gibt es seit über einem Jahr nur noch den PayPal-Käuferschutz. eBay profitiert doppelt: Mit der Tochterfirma PayPal hat sich neben Angebotsgebühr und Verkaufsprovision eine dritte Gebührenquelle etabliert. Gleichzeitig erspart sich eBay die Auszahlungen des Käuferschutzprogramms.
Ein typisches Käuferschutz-Szenario des vergangenen Jahres war der eBay-Verkäufer »style*and*living« (falle-internet.de berichtete). In über 400 Auktionen wurden Möbel im Gesamtwert von mehr als 100.000 Euro verkauft - und nie geliefert. Allein dieser einzelne Schadensfall könnte eBays Käuferschutz-Etat theoretisch mit bis zu 70.000 Euro belasten. Zwar stellen längst nicht alle geschädigten Käufer einen entsprechenden Antrag, so daß die tatsächlichen Auszahlungen diese Maximalhöhe wohl nicht erreichen werden. Über die gezahlten Entschädigungen hinaus entstehen aber zusätzliche Kosten - schließlich unterhält eBay zur Abarbeitung der Käuferschutz-Anträge eine eigene Abteilung. Durchschnittliche Bearbeitungszeiten von sechs bis acht Wochen machen deutlich, wieviel (personellen) Aufwand das Käuferschutzprogramm erfordert. Dessen Wegfall birgt ein erhebliches jährliches Einsparpotential.
PayPal hat bereits Maßnahmen ausgearbeitet, um das finanzielle Risiko von Käuferschutz-Anträgen weitestgehend auf die eBay-Händler abzuwälzen. In den USA werden zukünftig per PayPal erhaltene Gelder bis zu 21 Tage einbehalten, falls der betroffene Verkäufer mehr als fünf Prozent unzufriedene Kunden hat. „Unzufrieden“ ist ein Kunde nach PayPals Maßstab bereits, wenn eine neutrale Bewertung erfolgt oder er in einem der Punkte „Artikelbeschreibung“, „Kommunikation“, „Versandzeit“ oder „Verpackungsgebühren“ unterdurchschnittlich bewertet.
Diese Ansprüche werden auch viele seriöse Händler nicht erfüllen können. Obwohl noch nicht klar ist, ob und wann die Bedingungen auch in Deutschland durchgesetzt werden, ist die Stimmung bereits jetzt auf dem Tiefpunkt: »Natürlich ist es zu begrüßen, dass die Käufer - die ja in Vorleistung treten - vor betrügerischen Verkäufern besser geschützt werden. Aber warum soll dies ausschließlich der korrekte Verkäufer bezahlen und wer bietet dann den Verkäufern Schutz vor betrügerischen oder unfähigen Käufern?« Die Frage eines Händlers im eBay-Forum „Bezahlung“ ist berechtigt. PayPal bedeutet für Verkäufer ein zusätzliches Risiko, denn Betrüger können unter Ausnutzung des PayPal-Systems ihre Zahlung nach Erhalt der Ware zurückziehen. Eine Warnung vor betrügerischen Käufern ist durch den Wegfall der negativen Bewertungsmöglichkeit keinem Verkäufer mehr möglich.
Trotz Kenntnis dieser Problematik arbeitet eBay weiterhin auf das Ziel zu, PayPal für alle Verkäufer zur Pflicht zu machen. Wiederum zeigt der Blick in die USA die künftige Entwicklung: eine PayPal-Pflicht besteht dort bereits in mehreren Produktkategorien und für alle Verkäufer, die sich nach dem Januar 2007 angemeldet haben. eBay Deutschland hatte die PayPal-Pflicht erstmals im November 2007 Verkäufern eines „iPhones“ auferlegt. In Zukunft wird sie außerdem zunächst für alle Auktionen mit einem Tag Laufzeit gelten.
Die durch PayPal entstehenden Zusatzkosten werden letztlich die Käufer bei eBay über höhere Preise zu tragen haben. Ein echter Mehrwert an Sicherheit steht dem kaum entgegen. International organisierte Banden kennen und nutzen die Lücken im PayPal-System längst. So betrafen 44,9% der in den USA gemeldeten Fälle von Internetbetrug im Jahr 2006 „Betrug auf Auktionsplattformen“ - obwohl dort 95% der Verkäufer PayPal als Zahlungsmethode anbieten. Der bezifferte Schaden von 65 Millionen US-Dollar und eine angenommene Dunkelziffer, nach der sechs von sieben Fällen nicht den Behörden gemeldet werden, sprechen für sich. (Quelle: Internet Crime Complaint Center IC3)
PayPal-Käuferschutz - Anspruch und Wirklichkeit

PayPal-Werbung bei eBay

PayPal hat sich über die Jahre einen zweifelhaften Ruf bei vielen Nutzern erarbeitet. Dazu hat in erheblichem Maße beigetragen, dass der viel beworbene PayPal-Käuferschutz in der Praxis nicht hält, was die Werbung verspricht.
  • Kunden in Österreich können PayPal nur in Verbindung mit einer Kreditkarte nutzen. Käuferschutz bleibt auf der österreichischen eBay-Plattform in Zukunft Kreditkartenbesitzern vorbehalten.

  • Um den PayPal-Käuferschutz in Anspruch nehmen zu können, muss der erworbene Artikel korrekt über das PayPal-System bezahlt worden sein. Die Anbindung der PayPal-Software an die eBay-Datenbanken funktioniert teilweise nicht richtig, so dass es manchen Nutzern zwar möglich ist, ihre Artikel mit PayPal zu bezahlen – aber nicht über die Kaufabwicklung oder unter Angabe der eBay-Artikelnummer. Damit entfällt die Voraussetzung für einen Käuferschutzantrag.

  • Für Artikel, die gegen die Nutzungsbedingungen von PayPal verstoßen, wird kein Käuferschutz gezahlt. Hiervon sind auch viele Artikel betroffen, deren Handel bei eBay ausdrücklich erlaubt ist - unter anderem alle Waren, „über die der Verkäufer […] noch nicht verfügt“, also Vorabverkaufsartikel und sämtliche Produkte, die nach Kundenspezifikation gefertigt werden. Teilweise werden ganze Produktkategorien vom Käuferschutz ausgenommen, wie z.B. Möbel. Hier ist es branchenüblich, dass der Händler die vom Kunden georderte Ware erst nach Vertragsschluss beim Hersteller in Auftrag gibt. Für andere Artikel (z.B. Fahrzeuge, Flugtickets) wird der PayPal-Käuferschutz von vorneherein explizit ausgeschlossen.

  „Wenn Sie PayPal verwenden, sind Ihre Käufe bei eBay bis zu 500 Euro abgesichert“ - allerdings nicht bei diesem Händler, der mit seinen Lieferzeiten gegen die Nutzungsbedingungen von PayPal verstößt.

  • Ein Käufer, der einen minderwertigen, defekten oder gefälschten Artikel erhalten hat, muß den Beweis dafür mit Hilfe eines unabhängigen Gutachtens antreten und den entsprechenden Artikel an den Verkäufer zurücksenden. Die dadurch entstehenden Kosten trägt PayPal nicht.
„eBay neu erleben!“
Diese Beispiele sind nur ein Teil der Probleme, die auf PayPal-Zahler im Käuferschutzfall zukommen können. Nutzer berichten häufig von willkürlichen Entscheidungen PayPals und Antworten des Supports, die am Thema vorbeigehen oder wenig hilfreich sind. Manchmal werden nur diejenigen Teilbeträge zurückerstattet, die vom PayPal-Account des Verkäufers zurückgebucht werden konnten. Entscheidungen von PayPal sind endgültig, einen Rechtsanspruch auf Käuferschutz gibt es nicht.
falle-internet.de meint:
Viele Betrugsopfer werden eBay künftig in der Tat „neu erleben“ - und ihren Schaden selbst tragen müssen.


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