Betrugsserie bei eBay: „Insel-Accounts“ -
kein Ende abzusehen?

Geändert am 20.05.2008
Langdauernde Betrugsserien sind auf dem Online-Marktplatz eBay nicht ungewöhnlich. Über Jahre werden einträgliche Betrugsmethoden von den gleichen Kriminellen verwendet, den Opfern bleibt oft nur die Erkenntnis: „Das Geld ist weg – unwiederbringlich“.
Bei einer dieser Serien werden gekaperte Mitgliedskonten (Takeover) verwendet, in denen die Anmeldedaten des rechtmäßigen Inhabers komplett ausgetauscht werden. Dies widerspricht der Darstellung des Auktionshauses: »Änderungen des Namens … können nur in einem rechtlich sehr eng definierten Rahmen vorgenommen werden«.
Bei einer legalen Namensänderung – zum Beispiel durch Heirat - müssen amtliche Nachweise eingereicht werden, sonst ist den Mitgliedern selbst der Eintrag eines neuen Namens durch technische Sperren verwehrt. Die verbreitete Meinung, dass eine Namensänderung schlichtweg unmöglich sei, wird von den Kriminellen zu einer irreführenden vertrauensbildenden Maßnahme ausgenutzt, die wiederum durch Verlautbarungen von eBay unterstützt wird. Unter dem Titel »Sichere Zahlungsmethoden für Käufer« gibt eBay zur Überweisung den Tipp: »Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob Sie diese Zahlungsmethode nutzen sollten, rufen Sie die Kontaktinformationen des Verkäufers auf und überprüfen Sie, ob die dortigen Angaben mit den Bankkontoinformationen übereinstimmen«.
Folgt der Käufer diesem Rat, dann wird ihm ein zum Kontoinhaber passender Name präsentiert, der kurz zuvor in widerrechtlicher Bemächtigung ausgetauscht wurde; manchmal geschieht das sogar mehrfach innerhalb kurzer Zeit im gleichen Mitgliedskonto.
Eine weitere Täuschung der Kaufinteressenten geschieht durch die Manipulation des Bewertungsprofils mit positiven Rückmeldungen über zufriedenstellende Transaktionen im passenden Warensortiment, die tatsächlich niemals stattfanden. Abgegeben werden sie von anderen gekaperten Mitgliedskonten, die offenbar in reichlicher Anzahl zur Verfügung sehen. »Prüfen Sie das Bewertungsprofil des Verkäufers« empfiehlt eBay im Sicherheitsportal: »Jedes Mitglied, also auch jeder Verkäufer, besitzt ein Bewertungsprofil, das Ihnen genau zeigt, welche Erfahrungen andere Mitglieder mit diesem Mitglied gemacht haben«.
Ein weiterer Trick, die Käufer in Sicherheit zu wiegen, hat der Betrugsserie den Namen „Insel-Accounts“ eingebracht: die Täter geben in den Angeboten häufig einen Ort auf einer deutschen Insel als Artikelstandort an. Obwohl neben der Zahlungsart Überweisung auch Selbstabholung angeboten wird, rücken die Käufer bei Standorten wie Norddorf auf Amrum oder Alkersum auf Föhr von vornherein von dem Ansinnen ab, die besonders hochwertigen Artikel zur Absicherung selbst abzuholen. Die Auktionserlöse erreichen nicht selten einen vierstelligen Euro-Betrag, erzielt durch Angebote von Edelmetallen, Kunstgegenständen, seltenen Sammlerobjekten, Modelleisenbahnen, teuren Weinen und begehrter Unterhaltungselektronik.

  Eine hochwertige Multimedia-Anlage; angeblicher Artikel-Standort: Alkersum auf der Insel Föhr.


  Die Kontaktdaten in der Angebotsende-Mail von eBay geben als Wohnort Wittdün auf der Insel Amrum aus. Der Name im Mitgliedskonto wurde auf den des Zahlungsempfängers geändert, die Überweisung sollte auf ein Konto bei der Sparkasse Kulmbach in Bayern erfolgen.


  

Ein Käufer berichtet im Goldseiten-Forum über seine Erfahrungen mit dem Verkäufer der obigen Silberbarren und eBay:

  


  In der Angebotspalette befinden sich regelmäßig begehrte Objekte für Modelleisenbahner: Echtdampfmodell einer Tenderlok.

Im Gemeinschaftsforum der Eisenbahnfans wird schon lange vor den Tricks der „Insel-Accounts“ gewarnt:

  


  Ein alter Bordeaux-Wein wird mit einem gekaperten Mitgliedskonto angeboten, im automatisch erstellten Impressum erscheint der geänderte Name einer Finanzagentin.


  Im automatisch erstellten Impressum erscheint der geänderte Name der gleichen Finanzagentin.


  Der betrügerische Verkäufer kauft mit einem ebenfalls gekaperten Mitgliedskonto eine antike Silberkanne, um für sich selbst eine positive Bewertung abzugeben.


  Verräterischer Zeitstempel: Erst als sich der Verkäufer am 25.04.08 um 09:58 Uhr selbst bewertet, bemerkt er, dass er bereits entdeckt und im eBay-Forum Sicherheit erwähnt wurde – es ist zu spät für seine Bewertung und seinen Kommentar.


  Ein Highend-Verstärker mit Standort Sassnitz auf der Insel Rügen.


  

Obwohl im Bewertungsprofil Käufer bereits darauf hinweisen, dass der „Account gehackt“ ist und der Artikel bereits schon drei Mal angeboten wurde, wurde - trotz mehrfacher Meldung an das eBay-Sicherheitsteam - das Mitgliedskonto mehrere Tage lang nicht bearbeitet.
Die Sachlage und die Zusammenhänge sind selbst für eBay-Mitarbeiter oft nicht nachvollziehbar, denn auch sie sind davon überzeugt, dass eine Namensänderung aus technischen Gründen nicht stattfinden kann. Es helfen auch keine Hinweise auf die Beiträge in eBay-Foren zu der lange bekannten Serie.
Selbst die ursprünglichen Inhaber und Anmelder der Mitgliedskonten haben mitunter große Probleme, die Dringlichkeit ihres Anliegens verständlich zu machen, wenn sie zusehen müssen, wie ahnungslose Käufer mit Hilfe ihres Mitgliedskontos um hohe Summen betrogen werden sollen.
Eine Betroffene schilderte diese Situation eindringlich im eBay-Forum Sicherheit: »Mein Account wurde gehackt!!! Bin verzweifelt!«.

  


  

Die Fragen der Helfer, ob das Mitgliedskonto durch Phishing oder einen Trojaner auf dem PC gekapert wurde, blieben unbeantwortet.
Auch Anzeigen bei der Polizei stoßen oft auf Unverständnis, deshalb sollte jeder Anzeigende darauf hinweisen, dass es sich um eine große Betrugs-Serie handelt, die man mit dem Arbeitsnamen „Inselaccounts“ bereits in der Google-Suche finden kann.
Die Anzeigen der betrogenen Käufer müssen sich gegen den Inhaber des Bankkontos richten, auf das der Kaufpreis überwiesen wurde.
Dafür genügt die Angabe der Kontoverbindung, die vollständige Adresse des Kontoinhabers werden nur die Ermittlungsbehörden von der jeweiligen Bank erfahren.
Nicht alle Banken nehmen ihre Verpflichtung zu geeigneten Maßnahmen bei Verdacht auf Geldwäsche ernst, sollten aber trotzdem sofort darüber informiert werden.
Das Geld der Käufer geht bei dieser Betrugsserie über Konten bei der Postbank, Norisbank, Netbank oder DKB vermutlich weiter nach Russland. Die Kontoinhaber sind meist so genannte „Finanzagenten“.
Diese werden über betrügerische Stellenanzeigen im Internet angeworben, in der Lokalpresse oder über Spam-Mails. In der Regel wird darin behauptet, eine Firma aus dem Ausland suche Personen, die in Deutschland die Geldgeschäfte dieser Firmen abwickeln. Aus politischen, steuerlichen oder sonstigen Gründen sei es dieser Firma nicht möglich, in Deutschland ein eigenes Konto zu unterhalten.
Die Finanzagenten, die auf solche Angebote hereinfallen, erhalten regelmäßig Zahlungen aus ganz Deutschland auf ihr Konto, die sie umgehend mit einem Bargeldservice wie „Western Union“ weiterleiten. In der Arbeitsbeschreibung der Anwerber wird die geforderte Vorgehensweise genau beschrieben.
Guten Tag,
erlauben Sie mir im Namen von Porex GmbH Ihnen für Ihr Interesse zu danken.
Unten finden Sie eine ausführliche Beschreibung Ihrer Tätigkeit als Finanzmanager.
Der Mitarbeiter ist grundsätzlich in der Bestimmung seiner Arbeitszeit frei. Er hat jedoch die Interessen von Porex GmbH zu berücksichtigen und unterliegt in Einzelfällen den Weisungen von Porex GmbH im Hinblick auf die Arbeitszeit. Gleiches gilt für den Arbeitsort. Der Mitarbeiter ist als freier Mitarbeiter für Porex GmbH tätig. Sein Aufgabenbereich umfasst folgendes:
1. Sie bekommen von uns eine Mitteilung über einen Zahlungseingang auf Ihr Konto. Diese Mitteilung enthält auch alle Angaben (Empfänger, usw.) die Sie benötigen, um die erhaltene Gutschrift weiterzuleiten.
2. Sie heben den überwiesenen Betrag bar von Ihrem Konto ab.
3. Mit diesem Geld gehen Sie zur nächsten Western Union Stelle und nehmen eine Überweisung vor.
4. Achtung! Bei einer Überweisung per Western Union, müssen Sie nur Ihren Vor- und Nachname ins Formular eintragen! Kontrollieren Sie bitte, ob alle Angaben mit denen in der Mitteilung übereinstimmen.
5. Sobald Sie das Geld überwiesen haben, kehren Sie bitte nach Hause zurück und teilen Sie mir die Zahlungseinzelheiten mit MTCN (Money Transfer Control Number) und die Zahlungssumme.
6. Sie bezahlen Western-Union Gebühr aus den eingegangenen Geldern. Wir bitten Sie sehr darum, die Überweisungen nicht per Online-System, sondern aus den real existierenden Western Union Geschäftsstellen zu tätigen. (Western-Union Stellen gibt es fast in jedem Postbank/Reisebank) Unser Mitarbeiter bekommt das Geld und überweist es dem Kunden.
7. Solche Überweisungen können 2-3 und mehr Mal am Tage wiederholt werden. Deswegen müssen Sie stets bereit sein, eine Überweisung per Western Union zu tätigen.
Beim Auftreten von Problemen bei der Ausübung Ihrer Arbeit, wenden Sie sich bitte unverzüglich an mich. Wenn Sie die oben aufgeführten Instruktionen genau befolgen, werden bestimmt keine Probleme auftreten. Die mitgeteilten Angaben waren bisweilen stets vollständig und korrekt, und ließen keine Fragen offen.
Bitte haben Sie Verständnis, dass wir keine ausführlichen Informationen über unsere Arbeit herausgeben, denn sie stellen unser Geschäftsgeheimnis dar, welches unser Angebot nahezu einzigartig macht.
Wenn sie mehr über Concept und Aufgabengebiet unserer Firma erfahren möchten, lesen sie bitte die Informationen auf unserer Homepage.

Mit freundlichen Grüßen,
Verona Granci,
Personal Cheffin,
Porex GmbH

Die fiktive „Porex GmbH“ steht in keinem Zusammenhang mit der echten Firma „Porex Corporation“, der Name wurde missbraucht.
Es lassen sich immer wieder Jobsucher über Annoncen und Mails anwerben, in denen ihnen hohe Provisionen bei geringem Aufwand versprochen werden. Sie müssen sich auf Schadensersatzklagen und eine Strafe (Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren) nach dem Geldwäschegesetz gefasst machen.
Mit Nachsicht der Richter wegen angeblicher Ahnungslosigkeit über die Unrechtmäßigkeit ihrer Tätigkeit können Finanzagenten nicht mehr rechnen, da durch Medien, Bundesbehörden und Banken umfassend über die Risiken informiert wird.
Trotz aller Warnungen stehen bei dieser Betrugsserie so viele Finanzagenten zur Verfügung, dass zeitweise bei jeder Auktion ein anderer Zahlungsempfänger genannt werden kann. Die Gefährdung und die Verluste können kaum abgeschätzt werden, da nicht alle Opfer Anzeige erstatten und selten die Zusammenhänge zu dieser großen internationalen Betrugsserie erkannt werden. Aus sicher verständlichen Gründen können hier nicht alle Recherchen erwähnt werden, die eBay und Ermittlern zur Verfügung gestellt werden.
Nachdem der Arbeitstitel „Insel-Accounts“ bereits in Suchmaschinen zu finden ist, werden unauffälligere Standorte gewählt, weiterhin werden - wie seit mindestens drei Jahren - diese kriminellen Geschäfte auf dem Online-Marktplatz täglich unbehelligt abgewickelt.
Fazit:
Um diese und ähnliche betrügerischen Machenschaften zu unterbinden, wird von eBay erwartet, in Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden alle verfügbaren Möglichkeiten zu nutzen.


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