Verkaufsagenten-Betrug: Schein-Firmen locken Arbeitslose in die Schulden-Falle

Geändert am 22.04.2007
Wie Jobsuchende unwissend zu Tätern und Opfern zugleich werden
Jobsuchende werden zu Tätern und Opfern zugleich: Betrugsfirmen werben Verkaufsagenten an. Mehr als 100 Betroffene haben sich aktuell in eBay-Foren zum Informationsaustausch eingefunden. Das ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs, denn bereits seit anderthalb Jahren wird im Internet vor den dubiosen Angeboten gewarnt.

Auch Elke B. wollte bei der Job-Suche selbst aktiv werden und bewarb sich im Internet-Portal dhd24 „Der heiße Draht“ auf eine Annonce.
»Schreibarbeiten zu vergeben !!! Keine Vorkosten , von zu Hause aus , bei freier Zeiteinteilung , nur PC , Drucker und Internet nötig«, so lautete der Inhalt der Anzeige.

Genau das passende Angebot für die Mutter von zwei Kleinkindern; denn das Haushaltsgeld wurde immer knapper, seit ihr Mann Arbeitslosengeld II bezog.
Die Anforderungen konnte sie leicht erfüllen: Ein Mitgliedskonto bei eBay zum Einstellen von Angeboten und einige Stunden Arbeitszeit am Computer für die Kundenbetreuung.

»Sobald der Kunde bezahlt hat, wird die Ware an den Kunden ausgeliefert« versprach der Arbeitgeber in dem Vertrag, auf den Elke B. vertraute.

So stellt sie nach den Vorgaben ihres „Arbeitgebers“ Angebote ein und forderte nun die Käufer dazu auf, direkt an die „Firma“ zu überweisen. Dabei ahnte sie nicht, dass es sich bei der Bankverbindung in Wien nicht um ein reguläres Konto handelte, sondern um eine VISA Debit Card, die an irgendeinem Ort der Welt anonym abgeräumt werden kann.
Die angebotene Ware wurde indes niemals verschickt; sie war nicht vorhanden und auch Elke B. konnte sie nicht zu dem erzielten Angebotspreis beschaffen. Die Kunden forderten ihr Geld zurück, den Entschuldigungen und Erklärungen wollten sie nun nicht mehr trauen und drohten mit einer Strafanzeige wegen Betruges. Das konnte Elke B. gerade noch abwenden, indem sie selbst einen Kredit aufnahm, den sie noch lange wird abzahlen müssen.

Andere Opfer der Betrugs-Firma hatten diese Möglichkeit nicht; sie mußten Privatinsolvenz anmelden. Ihre Hoffnung, wieder auf einen grünen Zweig zu kommen, ist auf längere Zeit zunichte gemacht.

Wie ausweglos ihre Lage ist, erkennen die Betrogenen oft erst, wenn sie versuchen, den viel versprechenden Arbeitgeber für den Schaden haftbar zu machen: Die Adresse ist falsch, der Name erfunden.

Damit ist auch der Vertrag wertlos, den sie vermeintlich abgeschlossen haben und in dem es hieß: »Der Vertriebspartner wird von allen Haftungsansprüchen gegenüber Kunden befreit. Sämtliche Haftungsansprüche sind an den Auftraggeber zu stellen«.

Die Anwerber verstehen es, ihre Opfer eine Zeit lang in Sicherheit zu wiegen. Aufkommende Bedenken werden in professionell formulierten E-Mails ausgeräumt:
»Ich verstehe Sie und bin auch der Meinung, daß eine erfolgreiche Zusammenarbeit in erster Linie auf Vertrauen basiert. [...] Selbstverständlich, gibt es viele schwarze Schafe in jedem Marktbereich. Ein guter Ruf ist auch uns sehr wichtig und ich würde mich sehr freuen die Zusammenarbeit mit Ihnen demnächst fortsetzen zu dürfen«.

Wer jedoch sein Wissen über den Betrug öffentlich im Internet darstellt, um andere zu warnen, muss auch mit Drohungen rechnen. Beängstigend wirkt dabei, dass der Betrüger unbekannt ist, aber über die kompletten Daten des Gegenübers verfügt: Adresse, Geburtsdatum, Konto-Nummer und mitunter sogar über angeforderte Ausweiskopien.

Man brüstet sich zynisch: »Wir haben ja nicht nur eine Firma [...] wir agieren international [...] wir sind an kein Gesetz gebunden und daher nicht zu stoppen [...] wir machen das professionell [...]«.

Tatsächlich führen die ermittelten Spuren meist ins Ausland: auf die kanarischen Inseln, nach Osteuropa und Südamerika. Die Verfolgung scheint erfolglos, seit Jahren bekannte Muster werden wiederholt:


  

Dieser Internet-Auftritt hatte bereits ein Jahr zuvor einen Vorgänger:

  

Das angeblich langjährige Bestehen des Importeurs soll Vertrauen erwecken, aber über eine Whois-Abfrage erkennt man, dass die Internet-Präsenz erst vor kurzer Zeit erstellt wurde.

Aber selbst diese Möglichkeit der Überprüfung wird einkalkuliert. Die verwendeten wohlklingenden Namen wie

  • Puls-Import GmH und Co. KG
  • E.R.S. - Ebay-Round-Services
  • CMS - Consulting-Management-Services Limited
  • E.R.T Electronicdreams
  • Pappeacer
  • Auktionsplant e.K
  • Intermax GmbH
gehören teilweise zu tatsächlich bestehenden Unternehmen. Recherchiert ein Angeworbener über seinen vermeintlichen zukünftigen Arbeitgeber, findet er im WWW eine seriöse Firma, deren Reputation benutzt wird, um eine frühzeitige Entlarvung zu vermeiden. Diesen realen Firmen jedoch ist dann allerdings nicht bekannt, dass sie „Vertriebspartner“ suchen ...

Die Anwerbungen werden rasch und effizient gestreut: über Online-Jobbörsen, Kleinanzeigen regionaler Zeitungen, Spam-Mails und direkte Anfragen an Verkäufer bei eBay.

Obwohl es in den Anzeigen mitunter heißt: »Werden Sie Ebay-Verkaufsagent!«, ist damit nicht das offizielle eBay-Verkaufsagenten-Programm gemeint. Denn die Teilnahme am regulären Programm ist an Voraussetzungen geknüpft, die das nachfolgende Desaster verhindern sollen: so muss die Ware unmittelbar verfügbar sein und der Verkäufer die volle Verantwortung für das Angebot übernehmen.
Stattdessen wird ein Vertrag geschlossen, der sowohl den eBay-AGB als auch den gesetzlichen Vorgaben widerspricht, dafür aber mit einer hohen Provision und einer späteren Festanstellung lockt:
Provisionsvertrag zwischen

Heidi Brandtt , Weberplatz 20, 14482 Potsdam
und
Name:
Vorname:
Straße Nr.:
PLZ Ort:
E-Mail:
Geb. Datum:
Bankverbindung für
Provisionszahlungen:
Kontoinhaber:
Konto-Nr.:
BLZ:

wird folgender Vertrag geschlossen:

§ 1 Tätigkeit
Der Vertriebspartner hat die Aufgabe, Produkte bei Ebay oder anderen Auktionshäusern einzusetzen. Die Produkte werden mit Beschreibung und Foto an den Vertriebspartner übermittelt. Nach einer Einarbeitungszeit von 4 Wochen kann der Vertriebspartner auch in ein Angestelltenverhältnis oder in einen Minijob wechseln.

§ 2 Provision
Der Vertriebspartner arbeitet auf Provisionsbasis. Die Provisionen sind zwischen 10,00 - 100,00 Euro hoch je nach Artikel. Der Vertriebspartner erfährt mit der Zusendung der Artikelbeschreibung die Höhe der Provision. Alle anfallenden Ebay-Gebühren werdenübernommen, auch wenn der Artikel nicht verkauft wurde.
Der Kunde zahlt den Kaufpreis auf Ihr Konto, Sie ziehen Ihre Provision und Ebay-Gebühren ab und den Differenzbetrag überweisen Sie auf unser Paypal-Konto oder Geschäftskonto o d e r der Kunde zahlt den Kaufpreis auf unser Geschäftskonto oder Paypal-Konto und Sie erhalten alle 14 Tage Ihre Provision und Ebay-Gebühren von uns erstattet.

§ 3 Ablauf
Sobald der Kunde bezahlt hat, wird die Ware an den Kunden ausgeliefert.

§ 4 Vertragslaufzeit & Kündigung
Der Vertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen und kann von beiden Seiten innerhalb von 2 Wochen jeweils zu jedem 1. eines Monats gekündigt werden.


________________________________
Datum, Unterschrift HeidiBrandtt

____________________________________
Datum, Unterschrift Vertriebspartner

Einige Betrugsfirmen stellen geringe Anforderungen an die Bewerber und jeden Tag wird nur ein einziger hochwertiger Artikel angeboten. Mit dieser unauffällig wirkenden Angebotsmenge werden die Filter der eBay-Sicherheitsabteilung überlistet. Da aber viele Verkäufer gleichzeitig mit verschiedenen Angeboten beauftragt werden, sind bereits größere Summen über dunkle Kanäle in den Taschen der Betrüger verschwunden, bevor die ersten Käufer unruhig werden und nach dem Verbleib der Ware fragen.

Andere Scheinfirmen stellen höhere Ansprüche, sie verlangen ein Mitgliedskonto bei eBay mit vielen guten Bewertungen und gewerblicher Anmeldung. Damit können so genannte Powerauktionen durchgeführt werden, in denen gleich 10 Artikel zu einem hohen Sofortkauf-Preis angeboten werden - zum Beispiel komplette Kinderzimmer oder begehrte teure Technikartikel.

In diesen Fällen wird auf einen Schlag eine große Summe transferiert. Um den Weg des Geldes ins Ausland zu verschleiern, werden andere Arbeitsuchende als so genannte Finanzagenten angeworben. Sie stellen ihr deutsches Konto zur Verfügung, so dass der Verkäufer glaubt, an eine deutsche Firma zu überweisen. Kurz nach dem Eingang der Zahlungen verschickt der Finanzagent das Geld an einen anonymen Empfänger im Ausland, zum Beispiel über den Bargeld-Transferservice Western Union.
Das Bundeskriminalamt warnt eindringlich davor, auf solche vermeintlich lukrativen Jobangebote einzugehen.
Auch wenn ein Finanzagent sich darauf beruft, dass er nichts von einem kriminellen Hintergrund wusste, kann er wegen Geldwäsche strafrechtlich belangt und für den entstandenen Schaden zur Verantwortung gezogen werden. Ein ehemaliger Finanzagent schreibt im eBay- Sicherheitsforum:
»Ich hatte gestern die Verhandlung wegen Gedlwäsche und Hehlerei.
Strafe: 3600 Euro
Schaden den ich ersetzen muss: 13.400 Euro
Also das Leben ist beschissen - Pappeacer war mein Ruin
«.
Viele Formen des Internetbetrugs werden bei falle-internet.de beschrieben; nach einer Zeit des Ärgers können die um ihre Ware geprellten Käufer den Verlust meist verkraften.
Aber arbeitsuchende Menschen als Verkaufsagenten und Finanzagenten anzuheuern und so zu unwissentlichen Mittätern zu machen, ist eine perfide Methode, durch die Existenzen zerstört werden.

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