Die Duldung langer Lieferzeiten ist riskant
(am Beispiel des Online-Marktplatzes eBay)

Geändert am 15.07.2007
»Vorkasse« ist die häufigste Zahlungsmethode bei Transaktionen auf Auktionsplattformen im Internet. Werden in Verbindung mit vorausgegangenen Kundenzahlungen dabei lange Lieferzeiten geduldet, birgt dies für die Käufer ein hohes Risiko. Eine Erläuterung dieses Risikopotentials mit konkretem Bezug auf den Online-Marktplatz eBay:
eBay tifft im »Grundsatz zu Lieferzeiten in Kauf- und Werklieferungsverträgen« eine klare Aussage bezüglich der Lieferzeiten:
»Wer als Verkäufer Waren auf dem eBay-Marktplatz anbietet, muss in der Lage sein, die angebotenen Waren dem Käufer unverzüglich nach Vertragsschluss zu übereignen. Grundsätzlich gilt dies auch für Verträge, die die Lieferung einer noch vom Verkäufer herzustellenden Sache zum Inhalt haben (sog. Werklieferungsverträge).« ...
Der Anbieter muss also nun in der Lage sein, unverzüglich nach Angebotsende die Ware zu übereignen. Bei einer konsequenten Umsetzung ist das ein deutlicher Schritt in Richtung Schutz der Verbraucherinteressen. Ausfallschäden für Höchstbieter und Zahlungen des Käuferschutzes von eBay könnten merklich reduziert werden.
Auch über vier Jahre nach der Einführung dieses Grundsatzes gibt es aber immer noch Anbieter mit Lieferzeitangaben von 10, 14 oder mehr Tagen. Von eBay geduldet werden häufiger noch längere durchschnittliche Lieferzeiten. Dabei handelt es sich keineswegs um irgendwelche Spezialanfertigungen, sondern um normale Konsumartikel.
Lange Lieferzeiten bei vorausgegangener Kundenzahlung sind besonders für solche Händler attraktiv, die nicht über ausreichende Eigenmittel oder Bank- beziehungsweise Lieferantenkredite verfügen. Bei einem PC-Händler mit kontinuierlicher Einstellmenge reichen zum Beispiel etwa fünf bis sieben Tage Vorauszahlungen aus, um die gesamte Produktion und Lagerhaltung zu finanzieren. Bei anderen Artikeln, wie zum Beispiel Druckern, Handys oder Digitalkameras, sind tendenziell eher noch kürzere Beschaffungs- und Lieferzyklen anzutreffen.. Dabei kommt den Händlern bei eBay entgegen, dass sie bei eBay die Möglichkeit haben, ihre Einstellmenge den eigenen Produktions- und Beschaffungsmöglichkeiten ständig anzupassen. Dies ist ein gutes Steuerungsinstrument, um Lieferengpässe zu vermeiden.
Die Finanzierung mit Kundengeld führt dazu, dass einige Händler Umsätze abwickeln, die deutlich über ihrer eigenen Leistungsfähigkeit liegen. Bei den insgesamt geringen Gewinnmargen bei Neuware im Elektroniksektor ist das ein gefährliches Spiel. Eine Bonitätsprüfung durch die Sicherheitsabteilung von eBay findet nicht statt und Sicherheiten beziehungsweise Bürgschaften müssen von Verkäufern selbst bei großen Handelsvolumen, nicht erbracht werden. Grundsätzlich lässt sich ein größeres Mitgliedskonto völlig ohne Eigenmittel aufbauen. Bei Lieferzeiten von zehn Tagen und mehr müssen Händler allerdings deutliche Abschläge beim Verkaufserlös hinnehmen. Käufer preisen die Wartezeit bei der Gebotshöhe ein. Die meist schon problematische Ertragslage dieser Händler verschlechtert sich also weiter. Allerdings lassen sich aufgelaufene Verluste durch eine weitere Erhöhung der Einstellmenge kompensieren. Mehr Ware reduziert zwar nicht das Defizit, sichert aber weiterhin ausreichend Liquidität. Nicht wenige Händler befinden sich bereits in diesem Teufelskreis. Ein Aussteigen bedeutet für sie die Insolvenz. Deshalb machen sie bei steigenden Verlusten weiter und haben die trügerische Hoffnung, dass es bald wieder besser werden würde.
Das durchnittliche Mitglied bei eBay kann die Ausfallrisiken bei langen Lieferzeiten nicht einschätzen, da die Bewertungen des Verkäufers meist (noch) recht ordentlich sind. Warnsignale wie eine gestiegene Einstellmenge oder Bewertungskosmetik durch den Verkauf und schnelle Auslieferung niedrigpreisiger Artikel werden nicht erkannt. Ein interessantes Phänomen ist, dass bei einer angegebenen Lieferzeit von zum Beispiel drei Wochen, die ersten Negativbewertungen erst nach etwa zwei Wochen Lieferverzug eingehen. Die Ursache dafür könnte zum einen in dem vergleichsweise günstigen Preis der Ware liegen, wie auch in einer höheren Toleranz derjenigen Höchstbieter, die auf solche Auktionen überhaupt bieten. Ein häufig gehörtes Argument: »Bisher hat doch jeder seine Ware bekommen und bei dem Preis warte ich auch gerne etwas länger«.
Je länger die Lieferzeit ist, desto höher sind Insolvenzrisiko und eventuelle Schadenshöhe. Bei vielen maroden Mitgliedskonten ist eine Streckung der Lieferzeiten bei vermehrter Wareneinstellung zu beobachten. Im Schadensfall gibt es bei solchen Händlern oft Ausfälle, die zwischen einem halben bis einem Monatsumsatz liegen. Die Beträge können sich schnell auf über 100.000 EURO summieren. Dabei sind die Statistiken des Käuferschutzes von eBay nur bedingt aussagefähig, da ein großer Teil der Betroffenen keine Anträge auf den Käuferschutz stellt. In vielen Fällen sind Probleme im Vorfeld erkennbar, doch ist es für die Sicherheitsabteilung von eBay bisher schwierig, in geeigneter Weise gegenzusteuern. Auflagen, wie die Begrenzung von Einstellmengen, sind bei der Vielzahl von Problemfällen kaum wirksam zu kontrollieren. Ein konsequenter Verweis auf angemessene Lieferzeiten würde diese Arbeit deutlich vereinfachen, weil ein Blick in die Artikelbeschreibung reicht, um den Erfolg dieser Maßnahme zu kontrollieren. Die zuständigen Mitarbeiter von eBay sollten klare Vorgaben bezüglich der zulässigen Lieferzeiten an die Hand bekommen.
Grundsätzlich sollten fünf bis sieben Werktage nach Zahlungseingang die absolute Obergrenze bei den Lieferzeiten sein. Händler, die darüber liegen, müssten bei eBay einen entsprechenden Hinweis bekommen und gegebenenfalls auch abgemahnt werden. Soweit ein Verkäufer in der Artikelbeschreibung keine Angaben zu Lieferzeiten macht, sollte man von der Verfügbarkeit der Ware und einer sofortigen Lieferung ausgehen können. Das Landgericht Hamburg hat in einem Urteil zu Lieferzeiten wie folgt argumentiert: »Bei Internetauktionen geht der Verbraucher von der sofortigen Lieferbarkeit präsenter Waren aus, so dass es eine Täuschung darstellt, wenn nicht präsente Waren versteigert werden.« (LG Hamburg, Az.: 315 O 376/00)
Eine Durchsetzung kürzerer Lieferzeiten bliebe für den weltweiten Online-Marktplatz eBay nicht ohne Folgen. Einige überschuldete Händler würden ausscheiden oder zeitweilig die Flucht in höhere Einstellmengen suchen. Andere Händler müssten aufgrund der Reduzierung ihrer liquiden Mittel ihr Angebot herunterfahren. Insgesamt würde sich die Preissituation durch den Wegfall der zum Teil sehr günstigen Angebote etwas entspannen. Für wirtschaftlich gesunde Händler kann sich so die Attraktivität des Handelsplatzes verbessern, was auch wieder zu einem vermehrten Angebot von dieser Seite führen würde. Die Zahl der Pleiten von Mitgliedskonten wird vermutlich nicht zurückgehen, wohl aber kann es gelingen, die massive Expansion kapitalschwacher Verkäufer zu reduzieren. Risiken und Problemfälle können anhand von Käuferbeschwerden schneller erkannt werden, und durch zeitnahes Reagieren sollte es gelingen, die Schadenshöhen bei eventuellen Schadensfällen deutlich zu vermindern.
Anregungen
Hier stehen die Verantwortlichen von eBay in der Pflicht, die berechtigten Interessen der Käufer zu berücksichtigen und die eigenen Grundsätze konsequent durchzusetzen. Auch alle anderen Auktionsplattformen im Internet sollten im Sinne der Käufer die Lieferzeiten der Anbieter permanent kontrollieren. Die Durchsetzung annehmbarer Lieferzeiten bei Anbietern durch die Verantwortlichen der Auktionsplattformen im Internet ist ein wichtiger Beitrag für den Verbraucherschutz.


ZUM SEITENANFANG