Gutscheinhandel bei eBay - Risiko für Käufer

Geändert am 08.09.2008
Der Fall „berlin-touristik“
Enttäuschung statt eines bereits bezahlten Hotelaufenthalts mit Musical-Besuch: Buchungsbe- stätigungen von »Berlin Touristik Center« sind wertlos, der Verkäufer kann seinen Verpflichtungen gegenüber Hotels und Veranstaltern nicht mehr nachkommen. Bereits angereiste Gäste mussten das gebuchte Hotelzimmer ein zweites Mal bezahlen und fanden an der Hotel-Rezeption statt der erwarteten Musical-Karten ein Entschuldigungsschreiben vor:

  

Am 15. August 2008 hat eBay das Mitgliedskonto »berlin-touristik« vom Handel ausgeschlossen, über das monatlich für ca. 200.000 Euro Hotelaufenthalte und Musical-Besuche gegen Vorkasse verkauft wurden. Die Käufer bekamen Gutscheine, die je nach verfügbaren Kapazitäten und Reisewünschen eingelöst werden sollten. Die Wartezeit betrug häufig 2 - 6 Monate. Eine grobe Schätzung geht deshalb von 2.000 bis 3.500 betroffenen Käufern und einer möglichen Schadenssumme zwischen 420.000 bis 735.000 Euro aus.
Eine Kontaktaufnahme zum Verkäufer ist zur Zeit nicht möglich, die Büroräume sind »vorübergehend« geschlossen:

Offenbar wissen noch nicht alle Käufer, dass sie für ihre Gutscheine keine Gegenleistung mehr erwarten können. In einer am 1. September 2008 per E-Mail verschickten Mitteilung erklärt der Verkäufer: »… Leider müssen wir Ihnen auf diesem Wege mitteilen, dass Ihre Reise aus nachstehenden Gründen nicht wie geplant und bestätigt stattfinden kann. Durch unerwartete Ereignisse in den vergangenen Tagen sind wir gezwungen, die anstehende Reise zunächst komplett zu anullieren. Wir können zum jetzigen Zeitpunkt nicht sicherstellen, unseren Verpflichtungen gegenüber dem Hotel und Veranstalter in voller Höhe nachzukommen…«.

Betroffene berichten im eBay-Forum »Sicherheit« über ihre sinkenden Hoffnungen auf eine Entschädigung.
In den Angeboten wurde mit dem PayPal-Emblem »Kostenloser Käuferschutz« suggeriert: »Wenn Sie PayPal verwenden, sind Ihre Käufe auf eBay bis zu 500 EUR abgesichert.«:

  

Diese Zusicherung wird von eBay automatisch eingefügt, auch wenn der Artikel nicht für den PayPal-Käuferschutz qualifiziert ist.
Diese Irreführung der Käufer führte bereits zu Kritik, die von eBay mit der Begründung abgewehrt wurde, eine Vorab-Filterung sei technisch nicht möglich. Gutscheine und Reisen sind nach Ansicht von PayPal keine materiellen Güter, sondern gelten als Dienstleistungen, damit sind sie nach den Bedingungen der PayPal-Käuferschutzrichtlinie vom Käuferschutz ausgeschlossen. Besonders fragwürdig ist daher die Aussage der eBay-Pressesprecherin Maike Fuest gegenüber der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung: »… falls Sie über das Paypal-System bezahlt haben, könnten Sie bei Ebay einen Antrag auf Käuferschutz stellen«. Der Antrag kann zwar gestellt werden, aber die zu erwartende Antwort hat einer der Käufer bereits erhalten: »Leider konnten wir die Forderung nicht zu Ihren Gunsten entscheiden, da es sich bei dem erworbenen Artikel um einen virtuellen oder immateriellen Artikel handelt.«:

Auch ein weiterer Hoffnungsschimmer scheint sich als trügerisch zu erweisen: der Verkäufer hatte in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen und auf der Rückseite der Buchungsbestätigungen lt. Ziff. 5 Abs. 1 versprochen: »Die Ansprüche des Gastes gegen BTC (z.B. bei Insolvenz) sind durch eine globale Kautionsversicherung nebst globalem Sicherungsschein des Veranstalters zu 100% abgesichert.«:

Jeder Reiseveranstalter ist verpflichtet, so eine Versicherung abzuschließen. Angeblich hatte der Verkäufer bei der Europäischen Reiseversicherung eine Versicherung gem. § 651k BGB abgeschlossen, es ist jedoch fraglich, ob dieser Insolvenzschutz tatsächlich bestand, auf den sich Kunden bei ihrer Zahlung verlassen haben.
Ein Käufer erhielt auf Anfrage die Antwort, dass die Europäische Reiseversicherung gar keine Insolvenzversicherung anbietet und auch bei den Partnern TAS Touristik Assekuranz Services und der DRS, die diese Art von Versicherung anbieten, vom Verkäufer keine Insolvenzversicherung abgeschlossen wurde.

Besonders verärgert äußern sich Käufer, die Gutscheine für die Veranstaltungen als Geschenk gekauft haben: »Jetzt sind wir den Beschenkten eine Erklärung schuldig. Voll Peinlich!«
»Bin auch geschädigt und völlig geschockt. Hab es meiner Freundin zum Geburtstag geschenkt...wie stehe ich jetzt da. WAS KANN ICH TUN ???«
„berlin-touristik“ - ein Einzelfall?
»Mit einem Geschenkgutschein können Sie fast nichts falsch machen.« heißt es im »eBay-Ratgeber: Geschenkgutscheine«. Auf die speziellen Risiken wird nicht hingewiesen, die Sicherheitshinweise berücksichtigen nicht die Erfahrungen mit großen Schadensfällen:

  

»Jedes Mitglied besitzt ein Bewertungsprofil, in dem sämtliche positiven und negativen Kommentare der Handelspartner über dieses Mitglied verzeichnet sind. So finden Sie schnell heraus, welche Erfahrungen andere Mitglieder mit dem Verkäufer gemacht haben«. Viele Mitglieder bewerten den Erhalt des Gutscheins, der sehr schnell geliefert wird. Wenn der Termin zur Einlösung erst Monate später liegt, kann bei Problemen nach mehr als 60 Tagen keine negative Bewertung mehr abgegeben werden, auch das Beschwerdeformular ist nicht mehr aufzurufen.
»Nutzen Sie den Treuhandservice« »Sicherer geht es nicht: Der Käufer zahlt den Kaufbetrag auf ein treuhänderisch verwaltetes Konto. Erst wenn er die Ware in einwandfreiem Zustand erhält, wird das Geld an den Verkäufer weitergeleitet«.
Ob die versprochene Leistung tatsächlich erbracht wird, lässt sich oft erst lange nach dem Kauf feststellen. Die Freigabe der Zahlung muss also bereits beim Erhalt des Gutscheins ausgelöst werden.
So gelingt es Verkäufern, als Powerseller mit einem guten Bewertungsprofil aufzutreten und über längere Zeiträume Vorauszahlungen von einigen 10.000 oder 100.000 Euro einzusammeln, um eine mangelnde Liquidität zu überbrücken. Auch wenn keine Betrugsabsichten nachzuweisen sind, verlockt die Möglichkeit zur Überwindung finanzieller Engpässe zum Aufbau eines Schneeballsystems, bei dem alte Verpflichtungen mit den neuen Vorkassezahlungen beglichen werden. Wenn dieses Kartenhaus zusammenbricht und dennoch eine Insolvenz angemeldet werden muss, gehen mitunter einige Tausend Käufer als unfreiwillige Kreditgeber leer aus. Bei eBay sollten einige spektakuläre Fälle bekannt sein und zu weiteren Sicherheitsmaßnahmen Anlass geben. Der Powerseller »ticket-boerse-boesch« (3.823 Bewertungen - das Mitgliedskonto wurde mittlerweile umbenannt) verkaufte Gutscheine für die Fußball-Europameisterschaft und erklärte erst kurz vor der Veranstaltung den Kunden, dass keine Eintrittskarten geliefert werden können.
Käufer, die einen Wellness-Urlaub im Parkhotel Grafenau bei »billig-in-den-urlaub« (2.324 Bewertungen) ersteigert hatten, standen vor einem geschlossenen Hotel.
Der Inhaber des eBay-Shops »Hotelgutscheine-von- Voucherking« erklärte mit dem Mitgliedsnamen »restaurantguide« (21.341 Bewertungen) am 17.07.2008 im eBay-Forum: »Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass wir das Geschäft der General Marketing Ltd aus Insolvenz aufgeben müssen«.
falle-internet.de meint:
Kaufen Sie keine teuren Gutscheine bei eBay - insbesondere nicht, wenn diese erst nach längerer Zeit eingelöst werden sollen! Die von eBay angebotenen Instrumente zur Risikominderung beim Online-Kauf greifen bei Gutscheinen nicht.

Das eBay-Bewertungssystem ist nicht geeignet, die zukünftige Leistungsfähigkeit eines Verkäufers abzubilden, zumal Bewertungen nur 60 Tage lang abgegeben werden können.

Der PayPal-Käuferschutz greift bei einem Schadensfall durch Gutschein-Kauf nicht - obwohl eBay mit dem Hinweis auf den Käuferschutz auch in Gutschein-Auktionen Werbung für die vermeintlich sichere Bezahlmethode macht.

Auch der bei anderen Vorabverkäufen üblichen Regelung von maximal 15% Anzahlung sind Gutscheinverkäufer bei eBay nicht unterworfen.

Solange durch eBay keine geeigneten Richtlinien erlassen bzw. bestehende Regelungen ausgeweitet werden, hat kein Käufer eine Chance, sich vor Betrug, Insolvenz oder sonstigen Schadensszenarien beim Kauf von Gutscheinen zu schützen.


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