Binden, fesseln, verstricken.
eBays neue E-Mails

Geändert am 08.11.2007
Neuerdings kommt die Benachrichtigung von eBay, dass man eine Auktion erfolgreich abgeschlossen habe, mit geändertem Inhalt daher.
Bisher enthielt die Nachricht u.a. einen Hinweis, dass sie automatisch erzeugt wurde und dass man sich an den eBay-Kundenservice wenden möge, falls man Fragen habe. Der entsprechende Link wurde gleich mitgeliefert. Nun nicht mehr. Und auch sonst ist die E-Mail sehr viel übersichtlicher geworden, wenn auch - zumindest in der reinen Text-Version - nicht weniger umfangreich.
Denn zuvor folgten auf den Hinweis, dass man sich zur Bezahlung verpflichtet habe, die Angaben, um welchen Artikel mit welcher Artikelnummer es sich handelte, wie hoch der Preis und die Versandkosten wären, wann der Artikel erstanden wurde und wo man sich das Angebot nochmals ansehen konnte. Und natürlich wurden zur Kontaktaufnahme mit dem Verkäufer neben dessen eBay-Mitgliedsnamen auch die E-Mail-Adresse, Anschrift und etwaige Einzelheiten zur Bezahlung mitgeteilt. Angaben, die für den Abschluss eines ordentlichen Kaufvertrags landläufig als notwendig erachtet werden.

Dies ist nun völlig anders. Der überraschte Käufer erhält nun in seiner E-Mail lediglich den Preis und die Bezeichnung des erstandenen Artikels angegeben.
Keine Versandkosten, keine Artikelnummer, nicht einmal der eBay-Name des Verkäufers, geschweige denn dessen E-Mail-Adresse oder Anschrift sind ausfindig zu machen.

Erhöhtes Risiko

Ein wichtiges Alarmsignal im Vorfeld einer Vorkasse-Zahlung wurde damit ausgeblendet: Stimmt der Name des Mitglieds nicht mit dem Namen des Konto-Inhabers überein, ist besondere Vorsicht geboten und weitere Absicherung anzuraten. Dieser Vergleich war bisher unmittelbar möglich, ohne eine zusätzliche Abfrage über verschlungene Pfade.

Unklare Rechtslage

Die Durchsetzung von Ansprüchen wird ohne vollständige Auktionsende-E-Mails erheblich erschwert, denn sie dient in der Praxis häufig dazu, vor Gericht nachzuweisen, dass ein Kaufvertrag geschlossen wurde. Nach den eBay-Richtlinien wie auch nach der Rechtsprechung kommt der Vertrag in der Regel mit dem bei eBay angemeldeten Verkäufer zu Stande, auch wenn in der Auktionsbeschreibung ein anderer Anbieter genannt wird.

Kapitulation vor Spammern?

Die Begründung in den eBay News »…dass Gebote oder Käufe vermehrt getätigt wurden, um an die E-Mail-Adresse eines Verkäufers zu gelangen« klang wie eine Kapitulation vor chinesischen Spam-Versendern. Im August 2007 hatten Datensammler massenhaft Artikel aufgekauft, nur um an die Daten der Mitglieder zu gelangen. Statt einer Bezahlung empfingen die Verkäufer eine Flut von betrügerischen Angeboten angeblicher chinesischer Großhändler. falle-internet.de berichtete über diese aggressive Werbekampagne chinesischer Online-Betrüger.
Inzwischen versprachen eBay-Mitarbeiter den empörten Mitgliedern in den eBay-Foren: »…nachdem eure Reaktionen zu dem Thema Adressdaten in EOA Mails sehr deutlich ausgefallen sind, werden wir darauf eingehen und die Angaben so schnell wie möglich wieder in die Mails integrieren.«
Ein genauer Termin wurde aber nicht genannt und zumindest ein Teil der Käufer erhielt weiterhin die gekürzte Version der so genannten End-of-Auction-Mails (EoA), auch zu den Marktplatz-News vom 5.11.07 fehlt bisher das angekündigte Update.
Mittlerweile haben einige Käufer in einer schier unaufhaltbaren Flut hundertfach die gleiche EOA-Mail erhalten. Zynische Kommentare werteten das optimistisch »als Zeichen, dass Programmierer bei eBay bereits an der Umstellung arbeiten.«

Details

Viele Käufer glaubten zunächst an einen technischen Fehler beim Öffnen der unvollständig erscheinenden E-Mails:

  Ansicht einer EoA-Mail im HTML-Format. Wer, bitte, ist der Verkäufer?

Entgegen ersten Auskünften, es handele sich um eine Störung, die schnellstmöglich behoben sein würde, verschickte der eBay-Kundenservice später zunehmend die Bestätigung für eine planmäßige Änderung:
»Seit einigen Tagen senden wir Ihnen die Benachrichtigungen zum Angebotsende in einem neuen Design.
Neben dem Design haben wir die Benachrichtigungen auch inhaltlich ueberarbeitet. Die Benachrichtigungen werden nun von der E-Mail-Adresse ebay@ebay.de versandt.
Ausserdem sind in den Benachrichtigungen fuer Kaeufer die Kontaktdaten des Verkaeufers und die Artikelnummer nicht mehr enthalten. Bitte nutzen Sie die eBay-Kaufabwicklung, um weitere Informationen zum Artikel zu erhalten und den Zahlungsprozess einzuleiten.
Falls Sie die Kontaktdaten des Verkaufers doch noch benoetigen, koennen Sie sie in der "erweiterten Suche" unter "Mitglieder > Kontaktinformationen suchen" anfordern. Wir senden Ihnen dann eine E-Mail mit den Kontaktinformationen Ihres Handelspartners zu. Ihr Verkaeufer erhaelt eine Kopie dieser E-Mail.
«
Zum Vergleich die Angaben in der früheren Version:

  Zum Vergleich eine frühere EoA-Mail im HTML-Format.

Die fehlenden Angaben
  • Name und Adresse des Verkäufers
  • eBay-Mitgliedsname des Verkäufers
  • E-Mail-Adresse des Verkäufers
  • Artikel-Nummer und Auktionsende
lassen sich aus anderen Quellen nur beschwerlich zusammensuchen. Die Artikelnummer, das Auktionsende und den Mitgliedsnamen erhält man, wenn man über den Link mit dem Auktionstitel die Auktion aufruft. Sofern man den Pfad über die „erweiterte Suche“ zur Funktion „Kontaktdaten anfordern“ kennt, kann man sich die Adresse des Verkäufers per E-Mail zuschicken lassen. In den Kontaktdaten ist nur eine einzige E-Mail-Adresse enthalten: Die eigene! Die des Handelspartners kann man in „mein eBay“ einsehen, falls man die richtigen Einstellungen gewählt hat…

  Es gleicht einem Ratespiel: Wer hat diese Seite schon einmal gesehen?

In der Zahlungsabwicklung wird dem Käufer ebenfalls immer nur die eigene Adresse zur Überprüfung präsentiert, vom Verkäufer wird lediglich die Bankverbindung mitgeteilt. Ob es eventuell alarmierende Abweichungen von der Anmeldeadresse gibt, kann auch dort nicht überprüft werden.

Wer ist der Vertragspartner?

Eine oft monierte Unsicherheit der Käufer verstärkte sich durch die neuen Maßnahmen: In vielen Auktionsbeschreibungen bei eBay wird ein anderer Anbieter als der Inhaber des Mitgliedskontos genannt. Die Diskrepanz kann ein Bieter erst nach dem Kauf erkennen, bisher auf den ersten Blick in die Auktionsende-Mail, bei der reduzierten Version nur nach ausgiebiger Suche. Wie verbindlich ist die Willenserklärung, wenn ein Gebot einem vermeintlichen Anbieter galt, als Vertragspartner dann aber unerwartet ein Dritter auftritt?
»Ihr Kauf auf eBay ist bindend. Sie sind daher verpflichtet, zu bezahlen.«
Diese fragwürdige Belehrung wird von eBay in den neuen Auktionsende-Mails verschickt. Viele Käufer sehen sich in einem Konflikt, wenn sie zur Zahlung an eine Kontoverbindung aufgefordert werden, die keine Übereinstimmung mit dem Vertragspartner aufweist. Im „Sicherheitsportal“ warnt eBay beim Thema Überweisung:
»Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob Sie diese Zahlungsmethode nutzen sollten, rufen Sie die Kontaktinformationen des Verkäufers auf und überprüfen Sie, ob die dortigen Angaben mit den Bankkontoinformationen übereinstimmen.«

Bereits bezahlt, aber Kontaktdaten unerreichbar

Besonders kritisch wird die Situation, wenn der Käufer schon bezahlt hat und danach erst die Auktion von eBay administrativ gelöscht wurde. Dann ist die Artikelnummer ungültig und die Abfrage der Kontaktdaten nicht mehr möglich:

  Ansicht der Seite "eBay Deutschland Kontaktinformationen anfordern".
Auktion gelöscht, Geld überwiesen. Und nun?

Bei telefonischen Anfragen an die eBay-Hotline erhalten die Käufer den Rat, sich an die Polizei oder einen Rechtsanwalt zu wenden.
Eine Anzeige bei der Polizei wegen eines Betrugsverdachtes wird sicher ohne den Mitgliedsnamen oder die Anmeldedaten des Verkäufers nicht vereinfacht. Die Bankverbindung bietet zwar einen Ermittlungsansatz, aber die Identität des Konto-Inhabers wird dem Anzeigenden selbst nicht mitgeteilt. Will er Ansprüche zivilrechtlich durchsetzen, muss er einen Rechtsanwalt beauftragen, der Akteneinsicht erhält. Ein Mahnverfahren kann nur durchgeführt werden, wenn die Anschrift des Schuldners bekannt ist.

Ein geöffnetes Einfallstor für Kriminelle

Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass Betrügergruppen einer größeren Anzahl der Käufer automatisch eine Zahlungsaufforderung direkt an ihre E-Mail-Adresse verschicken können. Bei falle-internet.de wurde bereits mehrfach darüber berichtet und die Funktionsweise der entsprechenden Programme erklärt. Die früheren Aktionen dieser Art richteten sich an unterlegene Bieter, eBay hat deshalb verdeckte Bieterlisten eingeführt. Nun kann das betrügerische Schreiben direkt an den Höchstbieter gerichtet werden. Wenn das vom Käufer bereits erwartete Schreiben dann eintrifft, bevor der tatsächliche Verkäufer reagiert hat, werden viele Käufer nicht erkennen, dass sich ein Krimineller das Zeitfenster zunutze gemacht hat. Ist inzwischen eine online-Sofortüberweisung vorgenommen worden, ist es zu spät.
In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen §1.7 von eBay heißt es:
»Eine Überprüfung der bei der Anmeldung hinterlegten Daten führt eBay nur sehr begrenzt durch, da die Identifizierung von Personen im Internet nur eingeschränkt möglich ist. Trotz verschiedenartiger Sicherheitsvorkehrungen, ist es daher nicht ausgeschlossen, dass für ein Mitgliedskonto falsche Kontaktdaten hinterlegt wurden. Jedes Mitglied hat sich deshalb selbst von der Identität seines Vertragspartners zu überzeugen.«
Damit sichert eBay sich selbst ab. Die Absicherung der Käufer wurde durch die neuen Maßnahmen hingegen erheblich erschwert.
Will er das Risiko minimieren, müsste er
  • gleich nach dem Auslaufen die Auktion komplett abspeichern
  • danach sofort über die „erweiterte Suche“ unter „Mitglieder > Kontaktinformationen suchen“ die Kontaktdaten anfordern
  • jeder Mail außerhalb „Meine Nachrichten“ zunächst misstrauen und sich die E-Mail-Adresse des Verkäufers über „Meine Nachrichten“ bestätigen lassen
  • abgleichen, ob die Kontoverbindung mit den angegebenen Anmeldedaten übereinstimmt
  • vor der Überweisung um eine Festnetznummer bitten und prüfen, ob sie sich über eine Invers-Suche zuordnen lässt
  • durch einen Anruf erfragen, ob der genannte Inhaber des Mitgliedskontos tatsächlich der Verkäufer des Artikels ist
  • bei einem Kaufpreis über dem Käuferschutzlimit über einen Treuhandservice (z.B. Iloxx) abwickeln
Nur wenige Käufer werden sich so umfangreich absichern und die von eBay suggerierte Zahlungsverpflichtung bei einem erkennbaren Risiko zurückweisen.

Die Sinnfrage

Und der Sinn des Ganzen? Vermutlich stehen bei eBay Überlegungen im Raume, durch den Quasi-Zwang zur Nutzung der eBay-Kaufabwicklung die Sicherheit zu erhöhen. Dies wird allerdings nur teilweise positive Auswirkungen haben, da zugleich die Möglichkeiten für betrügerische Aktivitäten drastisch vereinfacht wurden. Ohne an dieser Stelle näher darauf einzugehen, wie Dritte an die E-Mail-Adressen der Käufer gelangen können: Es gibt diese Möglichkeit, und falle-internet.de ist derzeit mehr als nur ein Weg bekannt.
Es ist eigentlich schwer vorstellbar, dass einem Unternehmen wie eBay nicht bewusst sein sollte, welche Auswirkungen die jüngste Maßnahme gerade bei problematischen Fällen haben wird.
Aber möglicherweise spielen auch ganz andere Gründe eine tragende Rolle. So übernahm eBay erst im Oktober die Krefelder Software-Firma ViA-Online. Deren bekanntestes Produkt: Der häufig genutzte Kaufabwicklungsdienst Afterbuy. Aber ein Schelm, der hinter den neuen E-Mails mit „bindender Wirkung“ mehr eine Fesselung an eigene Dienste (und Gebührenquellen) vermutet. falle-internet.de jedenfalls befürchtet weitere Verstrickungen zum Schaden aller eBay-Nutzer.

Update 22.01.2008:

Mittlerweile enthalten die Auktionsende-E-Mails von eBay wieder Adressdaten der Verkäufer. Jedoch fehlt in einer ganzen Reihe von Benachrichtigungen weiterhin die Straßen-Angabe des Verkäufers, so dass in diesen Fällen den Käufern nach Abschluss einer Transaktion immer noch keine ladungsfähige Adresse von eBay mitgeteilt wird.

Aussagen von eBay-Mitarbeitern zu den fehlenden Straßen-Angaben:

Aussage 1 ...
Aussage 2 ...

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