Ein Komet am eBay-Himmel: ludwigs_markt
Geändert am 03.07.2007
Kundenfang beim weltweiten Online-Marktplatz
Die Sterne standen gut für den Verkäufer „ludwigs_markt“ bei eBay : eine besondere Konstellation begünstigte den kometenhaften Aufstieg zum angeblichen »Powerseller« mit 100.000 Euro Umsatz in nur einer Woche. Besonders lohnend war die Geschäftseröffnung von „Ludwigs Elektrofachhandel“ durch die geringen Investitionen: es mussten lediglich einige Kartons mit Billigwaren angeschafft werden, um das Bewertungsprofil mit positiven Kommentaren aufzubauen.
Danach sanken die Einkaufspreise gegen Null: Die angebotenen 700 iPods wurden weder geordert noch ausgeliefert. Eingespart wurden auch die Kosten für Miete, Lagerhaltung und Versand; selbst die Werbung wurde gegen eine geringe Angebotsgebühr von eBay übernommen - und das über die eigene Plattform hinaus.
Die Werbung für Angebote bei eBay bei der Preisfinderseite idealo.de dient der Promotion für die Plattform und ihre Händler, sie wird technisch von „mediaplex.com“ betreut. Eine Software übernimmt die Abwägung der verschiedenen Parameter, die einen Verkäufer bei eBay in den Genuss dieser zusätzlichen Verkaufsförderung kommen lassen. Die Auswahlkriterien sind zwar definiert, werden aber ganz offensichtlich nicht strikt beachtet.
Der Verkäufer selbst hat keinen Einfluss auf dieses Erscheinen in der Liste, und somit kann er sich dort auch nicht selbst fälschlicherweise als »Powerseller« präsentieren. Und so kannte möglicherweise sogar „ludwigs_markt“ selbst nicht den Grund für den überwältigenden Ansturm auf seine Angebote: Wer Ende Mai 2007 im Internet nach Preisvergleichen für einen »Apple iPod« suchte, fand auf dem ersten Rang bei idealo.de einen »Apple iPod 30GB Schwarz 6.Generation NEU&OVP/ White (ebay Powerseller ludwigs_markt)« für nur 199 Euro.
Diese Angebote waren laut idealo.de Ende Mai für den kultigen MP3-Player am günstigsten.
Nach einem Klick auf das verlockende Angebot fand man zwar keinen »Powerseller« vor, aber immerhin
• einen gewerblichen Anbieter
• mit einem Shop bei eBay,
• mit einer Anbieterkennung und Widerrufsbelehrung auf der Mich-Seite,
• mit 100% positiven Bewertungen
• und dem Zeichen für ein „geprüftes Mitglied“.
Diese Kombination suggerierte den 700 Käufern erhöhte Sicherheit - die hohe Angebotsmenge bei nur 24 Bewertungspunkten machte sie nicht argwöhnisch, im Gegenteil: sie waren überzeugt, das sei tatsächlich nur nach einer gründlichen Überprüfung möglich, eben bei einem „gewerblichen Verkäufer“, der „geprüftes Mitglied“ sei.
Ein Käufer erklärt: »Der letzte Punkt der mich zum Kaufen bewegt hat, war die Riesen-Käuferschar, welche die vorangegangenen 6 Tage gekauft hat und das Vertrauen auf das Ebay-Sicherheitsteam, Powerauktionen mit gigantischen Umsätzen, besonders kritisch zu beobachten, und im Zweifel erst einmal zwecks genauerer Prüfung zu unterbrechen.«
So viel Zuversicht hatte man im eBay-Forum „Sicherheit“ nicht. In der Diskussion »eBay macht "ludwigs_markt" zum Powerseller und beschert ihm 100.000 Euro« wurden die bedenklichen Alarmzeichen aufgezählt:
• Das Bewertungsprofil war mit Billigartikeln wie Zahnbürsten und Rasierklingen aufgebaut.
• Es war keine Steuer-Nummer angegeben.
• Der E-Mail-Kontakt lief über web.de (einen Free-Mailer).
• Die Telefon-Nummer war eine Handynummer.
• An der Adresse war mit einer Google-Suche kein Elektro-Fachhandel zu finden.
Bei einer Ortsbesichtigung sollte festgestellt werden, ob es sich eventuell nur um eine Briefkastenfirma oder vielleicht doch um ein frisch eröffnetes Ladenlokal handeln könnte. Das Ergebnis übertraf die Befürchtungen; eine Briefkastenfirma kann „Ludwigs - Elektrofachhandel“ nicht sein: An der angeblichen Firmenadresse gibt es keinen zugehörigen Briefkasten.
Und frisch eröffnet war das Ladenlokal in der Osloer Str. 124 in Berlin ebenfalls nicht. Dagegen sprach einwandfrei die Versiegelung der Eingangstüre - mit Spinnweben.
Hinter den gesprungenen, verklebten Scheiben werden wohl kaum die bestellten Waren lagern und während der angegebenen Bürozeiten wird man dort auch niemanden antreffen, der die Aufträge bearbeitet.
Wie sollte dies auch der Fall sein, wohnte doch der Inhaber des am 12.12.2006 angemeldeten „geprüften“ Mitgliedskontos bereits zwei Jahre nicht mehr an der angegebenen Adresse.
Es wäre „ludwigs_markt“ sicher nicht gelungen, in kurzer Zeit hohe Einnahmen zu erzielen, wenn die Bieter diese Bilder vor Augen gehabt hätten. Die geprellten Käufer waren stattdessen zu Illusionen verleitet worden
• durch die bewussten Täuschungsmanöver des Verkäufers
• durch das Symbol „geprüftes Mitglied“
• durch die eBay-Werbung bei Idealo
Bei einer Befragung nach den Gründen für die Kaufentscheidung erklärten Käufer, dass durch diese Kombination selbst grundsätzliche Bedenken ausgeräumt wurden: »
Wollte vorher nie einen Ipod bei Ebay kaufen, weil mir da die Betrugsmöglichkeiten zu groß waren. Deshalb habe ich nicht direkt bei Ebay gesucht.«
Eine andere Käuferin schreibt: »
Mein Mann "entdeckte" das Angebot über die Idealo-Seite. Ausschlaggebend für den Kauf war für mich - trotz der sehr geringen Zahl von Bewertungen - eindeutig der Hinweis "geprüftes Mitglied" und, dass er als gewerblicher Verkäufer angemeldet war. Ich dachte, da muss er ja irgendwie überprüft worden sein und fängt halt gerade an mit Internet-Handeln.« Ihren späteren Besuch auf der Polizeiwache beschreibt sie wie folgt: »
und das beste daran war, dass mein kleiner Sohn (3 1/2) auch mitdurfte und endlich mal eine Polizeistation von innen sah. Er war hellauf begeistert! So hat sich wenigstens einer gefreut...«
So humorvoll können nicht alle Betrogenen mit dem Verlust umgehen: »
Ich wollte eigentlich nie Sachen mit einem Wert über 100€ bei Ebay kaufen, aus Sicherheitsgründen, hier war ich mir jedoch absolut sicher...dachte ich...ich ärger mich immer noch jeden Tag darüber, für manche Menschen sind 200€ halt einfach verdammt viel Geld!!«
Betrug in Serie
Manche Peinlichkeit für die eBay-Plattform könnte durch eine gewissenhaftere Überprüfung der Promotion bei idealo.de vermieden werden:
Der gleichzeitig ebenfalls als „Powerseller“ erscheinende Verkäufer volkan333 konnte mit kurioser Schreibweise und noch niedrigeren Preisen sogar ludwigs_markt übertrumpfen: »Aplle iPod Viedeo 80 GB, 5, 5G (eBay Powerseller volkan333), Preis: 249,00 Euro«
volkan333 unterbot die ohnehin schon (zu) günstigen Preise
Diese angebotenen iPods werden gleichfalls niemals geliefert werden, denn volkan333 war Ende Mai 2007 ein so genannter Takeover. Dieses Mitgliedskonto wurde durch eine Bande von Serienbetrügern aus Berlin unbefugt übernommen, die bereits seit Jahren auf der eBay-Plattform ihr Unwesen treibt. Die Täter ziehen in wechselnder Besetzung jeden Tag durch Berliner Internet-Cafés. Von dort stellen sie in betrügerischer Absicht Auktionen ein und schreiben E-Mails an die Käufer, um sie zur Zahlung aufzufordern. Die Inhaber der angegebenen Bankkonten sind zumeist mittellos; Obdachlose, Drogensüchtige etc., die einige Euros dafür bekommen, dass sie EC-Karte + PIN einem Unbekannten zur Verfügung stellen, der sie auf der Straße oder in einem Lokal angesprochen hat. Diese Clique hat schon Tausende von Mitgliedskonten bei eBay auf fremde Namen eröffnet - denn das ist nach wie vor in Sekundenschnelle möglich.
Da neu angemeldeten Verkäufern wenig Vertrauen entgegengebracht wird, sind sie neuerdings dazu übergegangen, schon länger bestehende Accounts mit positiven Bewertungen zu „hacken“, indem sie Besuchern von Internet-Cafés das Passwort abluchsen. Danach wird das übernommene fremde Mitgliederkonto in ein gewerbliches Verkäufer-Konto umgewandelt und ein Shop bei eBay daraus gemacht. Dies ermöglicht nach den eBay-Regeln anschließend das Anbieten von mehr hochpreisiger Ware.
Zwar muss nach kürzlich eingeführten eBay-Sicherheitsmaßnahmen das Bewertungsprofil bei jedem Verkäufer offen sichtbar sein, aber unmittelbar nach dem letzten Verkauf kann es sofort auf „privat“ umgestellt werden. eBay bietet diese Möglichkeit, die erhaltenen Bewertungen vor den Augen anderer zu verbergen. Das kann sich als fatal erweisen, wenn die entsprechenden Bewertungen Warnungen wie diese enthalten:
Abgegebene Warnbewertungen eines eBay-Mitglieds. Ist das Bewertungsprofil des Bewerteten von diesem auf „privat“ umgestellt worden, bleibt nur der Hinweis, dass eine negative Bewertung abgegeben wurde. Über den Grund erfährt der Interessent dann nichts.
Eine Warnung von der eBay-Sicherheitsabteilung anlässlich der Löschung der Auktionen blieb ebenfalls aus. Wollen die Käufer nun den eBay-Käuferschutz beantragen, erhalten sie zunächst die Meldung: „ungültiger Artikel“. Bei volkan333 wurden bereits eine Woche zuvor Betrugsangebote eingestellt. Nach der Löschung dieser Angebote durch das eBay-Team, das offensichtlich eine Prüfung der Anmeldedaten nicht vorgenommen hatte, folgte eine zweite Serie.
Ein Mitglied im eBay-Forum „Sicherheit“ berichtet:
»"volkan333" wurde eBay-Sicherheit bereits am 31.05. gemeldet. Bis zum 1. Juni hatte er Mit iPods zu extrem günstigen Festpreisen bereits 7.200 Euro Umsatz gemacht. Die Angebote hat eBay einige Tage später gelöscht, so daß die betroffenen Käufer nicht mehr negativ bewerten konnten. Um so mehr war ich überrascht, daß "volkan333" einige Tage später weiter machen konnte.«
Die bekannt gewordenen Aktivitäten dieser „Crew“ werden in privater Initiative seit zwei Jahren dokumentiert und der Berliner Kriminalpolizei übermittelt. Die vermeintlich ersteigerte und von den Käufern bezahlte Ware ist nur eine Fiktion aus einer kopierten Artikelbeschreibung mit viel versprechenden Bildern; eine Auslieferung war niemals beabsichtigt.
Nicht nur betrogene Käufer, auch Händler sind Leidtragende
Daher können Preise gestaltet werden, die unter den Einkaufspreisen zuverlässiger Händler liegen. Somit müssen auch die durch dieses Preisdumping betroffenen Händler unter solchen Auswüchsen auf der eBay-Plattform leiden. Viele betrogene Käufer werden nicht noch einmal Geld für die gleiche Ware an einen Händler bei eBay schicken. Der Ruf der Verkäufer bei eBay sinkt - und auch der Preis.
Anhand der 90-Tage-Statistik von idealo.de kann man verdeutlichen, wie das Angebot von „ludwigs_markt“ den Preis für den „Apple iPod Nano 4GB“ von rund 160 Euro auf 125 Euro hat einbrechen lassen:
Deutlich ist zu erkennen, wie die über zwei Monate hinweg nahezu konstanten Preise mit dem Auftauchen der Dumping-Preis-Angebote Ende Mai um über 20 Prozent nachgegeben haben.
Den ersten Platz für den beliebten iPod bei idealo.de belegte volkan333, die beiden folgenden wurden von ludwigs_markt eingenommen. Immerhin 25 Euro trennen diese Angebote noch vom nächsten Angebot.
Auch wenn professionelle Händler sich angesichts sinkender Margen nicht gleich ganz von der Plattform zurückziehen - die ökonomische Vernunft gebietet es ihnen, das Angebot bei eBay zu reduzieren und die verbleibenden Angebote eher als eine Art Werbung für einen eigenen Web-Shop zu nutzen. Und das macht sich in den seit Ende letzten Jahres in sinkenden Angebotszahlen mehr als deutlich bemerkbar.
Irrwitzige Werbung
Wenn aber gleichzeitig zu den fallenden Preisen die steigenden Gebühren, über die viele Händler klagen, den Gewinn schrumpfen lassen, wird der Spielraum für eine auskömmliche Preisgestaltung seriöser Händler immer kleiner.
Gegen das Problem der Abwanderung gerade auch der besonders lukrativen »Powerseller« kämpft das Online-Auktionshaus bereits seit geraumer Zeit. Doch den Rückgang des Angebots durch teure und aufwändige Werbekampagnen aufzuhalten oder gar umzukehren, kann nicht gelingen, solange nicht auch die Sicherheits- und Service-Mängel beherzt angegangen werden. Im Gegenteil: Die Werbung kann sich geradezu als ein tödlicher Bumerang erweisen, wenn wie oben beschrieben gerade die Angebote beworben werden, die diese Mängel eindrucksvoll belegen und den ohnehin ramponierten Ruf weiterhin demontieren.
Wenn gerade in den besonders heiß umkämpften Märkten unrealistische Angebote mit illegalem Hintergrund das Preisniveau verzerren, wird es für ehrliche Verkäufer unmöglich, konkurrenzfähig zu bleiben. Geradezu irrwitzig wird die Situation jedoch, wenn auf Preisfinder-Seiten betrügerische Anbieter auf den drei besten Plätzen stehen, protegiert von der eBay-Werbung als angeblich „geprüfte Mitglieder“ und »Powerseller«.