„Gewerbliche“ Betrüger bei eBay

Geändert am 05.08.2009
Hunderte von eBay-Mitgliedern hatten Ende Juli ihren Wunsch-Artikel bei einem von mehreren gewerblichen Anbietern aus Berlin entdeckt. Nichts an den Angeboten wirkte auf den ersten Blick verdächtig, die Verkäufer waren schon seit über einem Jahr bei eBay angemeldet und bis zu 60 Käufer hatten bereits eine zuverlässige Lieferung ihrer Ware positiv bewertet.
Dass es sich laut der Angaben bei eBay um gewerbliche Händler handelte, gab zusätzlich eine trügerische Sicherheit.
So hatten die Käufer beruhigt per Sofortkauf zugegriffen, den erstaunlich günstigen Kaufpreis für die Edel-Kaffeemaschine, den Entsafter oder die hochwertige Kamera umgehend auf das jeweils in der eBay-Kaufabwicklung hinterlegte Konto überwiesen und warteten nun gespannt auf die Lieferung ihres teuren Neuerwerbs. Um so größer war dann der Schreck, als zunächst negative Bewertungen im Bewertungsprofil des Verkäufers erschienen, die dringend vor einer Bezahlung warnten. Und als kurz darauf der Verkäufer von eBay gesperrt wurde und zu guter Letzt noch eine Warnung durch eBay selbst erfolgte, keine Zahlung vorzunehmen bzw. diese zu stornieren, war klar: Es ist keine Lieferung zu erwarten.

Bewertungsprofil mit deutlichen Warnungen

Was war geschehen? Einem Mitglied von »falle-internet.de« war ein Verkäufer aufgefallen, der bisher hauptsächlich billige Computerspiele verkauft und laut seiner erhaltenen Bewertungen auch geliefert hatte, nun aber plötzlich in großem Umfang sehr teure Küchengeräte anbot.

Einige typische Angebote teurer Küchengeräte

Sehr schnell zeigte sich: Dieser Verkäufer war kein Einzelfall. Über identische Textpassagen in den Angeboten, die gegenseitig abgegebenen Bewertungen sowie teilweise identische Adressen wurden bei weiteren Recherchen neun gewerbliche Anbieter gefunden, die in unmittelbarem Zusammenhang standen. Alle waren in Berlin angemeldet, trugen osteuropäische bzw. bulgarische Namen und boten erst seit kurzer Zeit auf einmal erhebliche Mengen hochwertiger Neuware an. Dazu kamen einige weitere Accounts, die nur als Bewerter auftraten oder noch mit dem Verkauf billiger Ware zum Aufbau positiver Bewertungen beschäftigt waren.
Eine Vor-Ort-Recherche an den im Impressum genannten Adressen ergab wenig erfreuliches: In den Häusern waren die Haustüren nicht verschließbar – sofern überhaupt eine existierte. Es gab jeweils eine oder mehrere leerstehende Wohnungen, auf die dazugehörigen nicht verschlossenen Briefkästen und Klingeln hatten Unbekannte jeweils einen Aufkleber mit einem oder mehreren Namen aufgeklebt.

Die Klingelschilder waren mit den Namen der „Verkäufer“ überklebt

Eine Wohnungstür mit diesen Namen hingegen gab es an keiner der Adressen. Die tatsächlichen Mieter schienen mit diesem Mißbrauch bereits vertraut zu sein, es war scheinbar nicht der erste Fall dieser Art:

Anonyme „Scheinmieter“ waren an dieser Adresse bestens bekannt

Über diese „toten Briefkästen“ war es den Tätern möglich, eingehende Briefe abzufangen und so an diesen Adressen nicht existierende Personen bei eBay anzumelden.

Voraussetzung für den Betrug: ein unbenutzter Briefkasten und ein Namensschild

Die Täter hatten von langer Hand einen umfangreichen Betrug vorbereitet: Alle beteiligten Mitgliedskonten wurden bereits vor längerer Zeit bei eBay angemeldet. Die Bewertungsprofile wurden ebenfalls über einen längeren Zeitraum kontinuierlich aufgebaut, bevor alle fast gleichzeitig und in großem Umfang hochwertige Artikel anboten.
Die durch »falle-internet.de« recherchierten Zusammenhänge sowie die Ortsbeschreibungen führten nach Meldung an eBay zur Sperre der beteiligten Accounts. Dadurch wurde ein erheblich größerer Schadensumfang verhindert; insgesamt hatten die Täter zum Zeitpunkt der Entdeckung allerdings bereits hochwertige Ware für zusammen ca. 202.000 EUR verkauft. Zurück bleiben ca. 800 betrogene Käufer, die keine Ware erhalten werden und sich nun in einer Diskussion im eBay-Sicherheitsforum austauschen.
Für die Käufer war die Gefahr hier im Vorfeld nur schwer zu erkennen, sie vertrauten auf die positiven Bewertungen und die professionell erstellten Angebote mit den für gewerbliche Händler erforderlichen Angaben zur Anbieterkennzeichnung (Impressum) und eine korrekte Widerrufsbelehrung.
Was die Käufer nicht ahnen konnten und generell nur wenige eBay-Mitglieder wissen: Bei eBay kann sich jeder völlig ungeprüft sofort als gewerblicher Händler anmelden. Eine tatsächliche Kontrolle irgendwelcher Gewerbeunterlagen findet nicht statt. Die Bezeichnung „gewerblicher Händler“ stellt daher keinesfalls automatisch eine höhere Seriosität des Anbieters im Vergleich zu einem privaten Anbieter dar.
falle-internet.de empfiehlt:
  • Auch bei einem gewerblichen Verkäufer sollte der Käufer alle Fakten gründlich prüfen. Da ein gewerblicher Verkäufer gesetzlich verpflichtet ist, ein vollständiges Impressum in seinen Angeboten zu veröffentlichen, hat ein Interessent bereits vor dem Kauf die Möglichkeit, seinen möglichen Handelspartner genau zu durchleuchten!

    • Gibt es einen Telefonbuch-Eintrag für den gewerblichen Händler ?
    • Gibt es Einträge im Internet für den gewerblichen Händler ?

    Fehlt beides, ist das zumindest sehr ungewöhnlich, denn ein seriöser gewerblicher Händler ist in der Regel bemüht, präsent und erreichbar zu sein für seine Kunden. Namen und angegebene Adresse des Händlers sollte der Interessent in jedem Fall vor dem Kauf verifizieren können.

  • Sind die Preise des gewerblichen Händlers plausibel? Bei einem gewerblichen Händler, der seine Neuware zu Festpreisen anbietet, die weit unter denen der Mitbewerber liegen, ist ebenso Vorsicht geboten wie bei einem Privatverkäufer. Die Gewinn-Margen beim Internet-Handel sind minimal, kein seriöser gewerblicher Händler ist in der Lage, ohne eigene Verluste Ware in größeren Mengen deutlich unter dem durchschnittlichen Marktpreis anzubieten

  • Passen die bisherigen Bewertungen des gewerblichen Händlers tatsächlich zu seinen aktuellen Verkaufsaktivitäten? Wenig aussagekräftig sind Bewertungen, die aus eigenen Käufen stammen. Wenn die Bewertungen eines gewerblichen Händlers sich bisher ausschließlich auf Verkäufe von niedrigpreisigen Artikeln beziehen, geben sie keinen Aufschluß darüber, ob er aktuell in größerem Umfang angebotene teure Ware auch tatsächlich liefern wird.


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